Sonntag, 18. August 2013

Das Gefühl die Gefühle wieder zu kennen

Hey ho alle zusammen!
Ich hatte gestern einen wundervollen Samstag mit meinem Freund, so wie es sein soll. Ich bin jetzt seit zwei Wochen in der Station 4 meines Krankenhauses und ich muss sagen, dass es einer meiner besseren Aufenthalte hier ist. Auch, wenn die Essstörung präsent ist und ich sie deutlich spüren kann, es gab keine unerwünschten Erlebnisse oder Zwischenfälle. Es ging diesmal um andere Sachen. Weißt du, wenn man fast zehn Jahre lang krank war, dann merkt man, dass hinter jeder Sache etwas sehr komisches und sehr schmerzhaftes steckt. Jahrelang habe ich durch Anorexie, Bulimie oder Selbstverletzung versucht, diesem Schmerz zu entgehen. Das war mein Weg, um die Gefühle zu kontrollieren. Ich bin nicht in der Lage, mich diesen Gefühlen auszusetzen. Doch - wenn man die schlechten Gefühle unterdrückt, unterdrückt man auch die guten. Es ist also eine ganze Weile her, dass ich wirklich richtige Freude verspürt habe.
Hier in der Klinik haben wir uns darauf konzentriert, dass ich daran arbeite, meine Gefühle nicht mit destruktiven Mitteln zu unterdrücken. Ich musste meine Gefühle irgendwie rauslassen, aber nicht destruktiv.
 Wenn ich mich verletze, ist der Gedanke da, bevor ich es letztlich tue. Die Idee, der Gedanke kommt zuerst, dann die Handlung. Eine ganze Reihe von Dingen spielt sich dazwischen ab und es ist jetzt meine Aufgabe, daran zu arbeiten. Hier in der Klinik hatte ich ständig einen bei mir und ich musste jede halbe Stunde sagen, wie es mir geht, wie ich mich fühle, ob der Gedanke stark oder schwach ist, was ich brauche, um zu widerstehen. Das habe ich geschafft. Ich habe es geschafft, mich abzulenken, bevor ich in die Handlung übergegangen bin. So muss ich auch mit meinen Gefühlen umgehen. Und wie ich schon gesagt habe, es geht auch um gute Gefühle. Wie gestern Abend, als ich mit meinem Freund weg war und wir einfach ein ganz normales Pärchen waren. Das ist so schön. Ich kenne das Gefühl von Freiheit und Freude kaum. Es ist ein kleines Wunder, das wieder zu erfahren, weil es so selten ist. Ich bin so dankbar für den gestrigen Tag und glücklich über alles, was ich erlebt und erreicht hab.
Heute Nachmittag gehe ich wieder nach Hause. Ich habe beschlossen, wieder nach Hause zu ziehen. Ich glaube, es ist besser, wenn ich im selben Haus wie meine Mutter lebe. Dann habe ich Hilfe dabei, wie ich den Alltag mit Schule und Essen bewältigen kann.
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende!

Freitag, 9. August 2013

Wo bin ich?

Es ist sehr früh. Ich kann nicht einmal die Vögel hören. Der Tag hat noch nicht begonnen. Ich liege in der Stille und denke nach. Was ich für ein Leben hatte. Was ich hatte, um zu überleben. Ich werde nicht ins Detail gehen, aber in den neun Jahren war ich in einer Krankheit gefangen, die mir alles genommen hat und lediglich Scham und Schmerzen hinterlassen hat. Die Krankheit hat mich dazu gebracht, mir schlimme Dinge zuzuführen. Ziemlich schlimme Dinge. Wenn man sich meinen Körper und die Narben anschaut, merkt man das. Man kann sagen, dass ich mein Leben an die Krankheit verloren habe, als ich elf Jahre alt war. Von einem perfekt gesunden Mädchen mit vielen Möglichkeiten und Stärken, Freunden, zu einem Schatten meiner selbst. Die Krankheit hat mir alles genommen. All die Freude, all die guten Erinnerungen, Kraft, Selbstbewusstsein, Konzentration etc. Ich bin an einem Punkt, wo ich mein eigenes Leben nicht leben kann.
Und das ist ein schrecklicher Gedanke. Ich bin 20 und kann nicht leben. Ich sage nicht, dass ich sterben werde, das steht außer Diskussion, aber ich hänge in der kranken Welt fest. Es ist traurig, darüber nachzudenken, weil ich nichts mehr möchte, als zu leben.

Deshalb habe ich beschlossen, dass ich ab Herbst wieder zur Schule gehe. Ich werde aus der Wohnung ausziehen, in der ich ein Jahr gelebt habe, und wieder bei meiner Mutter leben. Ich werde mir Zeit geben und eine neue Chance.

Derzeit bin ich im Krankenhaus und ich werde hier noch ein paar Tage bleiben, bis es mir etwas besser geht. Ich hoffe, ich werde ein wenig gesünder, bevor die Schule beginnt und das neue Projekt starten kann.

Donnerstag, 8. August 2013

Zurück im Leben

Kalt. Dukel. Ein Meer voll salziger Tränen.
Ich bin auf einem schmerzhaften Pfad gelaufen. Es war zu dunkel, um irgendetwas zu erkennen, aber ich habe gar nicht auf das Leben geachtet.
An den Seiten des Pfades waren verschiedene Werkzeuge, die ich hätte benutzen können, um gegen den Tod kämpfen zu können. Weil er es war, auf den ich treffen würde. Ich habe dem Tod in die Augen geblickt. Alles wurde auf den Kopf gestellt. Vor dem Fall hätten mich nur andere Hände retten können - oder wenn ich es geschafft hätte, auf dem Pfad zu balancieren.
Neun Jahre lang. Manchmal war ich in der Lage, die Werkzeuge zu benutzen, um mich wieder hoch zu ziehen. Aber diesmal konnte ich es nicht. Es tat weh, nicht das Licht in mir zu sehen, das alle anderen sahen. Es tat weh, den Schmerz zu spüren. Ich wollte nur frei sein. Im Herzen habe ich geträumt, oh, so viele Träume. Manchmal war es die einzige Möglichkeit für mich, in meiner Traumwelt zu verschwinden. Dort gab es den Kampf nicht. Ich habe alles getan, um dem Krieg zu entfliehen. Aber ich wusste nicht, dass ich weiter fallen würde, je stärker ich davonlaufe. Ich konnte dem Krieg nicht entkommen.
Viele standen an meiner Seite, als ich nach Luft geschnappt habe, gefallen bin und mich verletzt habe, gekämpft habe, geblutet habe, geweint habe, mich gesehnt habe... Es schmerzt sie auch so sehr. Sie konnten nichts tun, außer neben mir zu stehen und mich dazu zu bewegen, gegen den Tod zu kämpfen. Sie hatten Angst. Es war, als wüssten sie, dass der Tod mich bald einholen würde. Und dann habe ich den Kampf angenommen und habe ein paar besondere Momente des Glücks und der Freiheit erlebt. Ich konnte mit meinen Lieben tanzen. Ich konnte lachen, weil ich wusste, dass der Schmerz bald geringer werden würde. Und dann, ganz plötzlich, bin ich gefallen. Die Zeit stand still, der Weg war zuende. Die Krise begann. Ich war irgendwo zwischen Leben und Tod, wo nichts einen Sinn ergab, wo nichts Sinn hatte, wo es keinen Schmerz gab, wo die Zeit still stand, wo du nicht atmest und alle um dir herum versuchen, dich wieder zum atmen zu bringen. Leben oder Tod. Dennoch habe ich überlebt. Ich habe Wege gefunden, wie ich nicht ins Grab falle. Es ist so komisch, dass ich eine Art Freude erlebe, jedes Mal, wenn ich dem Tod begegne. Es scheint, der Tod sei wunderschön. Tod ist jedoch keine Freiheit. Du musst kämpfen, um frei zu werden, aber du gewinnst das Leben, wenn du es schaffst.
Ich gehe weiter auf dem Weg. Ich will mein Leben. Ich bin bereit, dafür zu kämpfen. Ich weiß, dass es irgendwo da draußen ist, und dass ich es finden werde. Deshalb werde ich weiter suchen.

Ja, ich suche weiter. Das Leben lässt sich nicht so einfach löschen. Ich habe neun Jahre Krankheit durchlebt, aber im letzten Jahr habe ich gespürt, dass es viele Leute gibt, die mit mir kämpfen, dass ich das Leben wieder erreiche. Und das ist möglich. Du musst akzeptieren, dass die Dunkelheit dort ist, aber sie nicht die Freude und die schönen Dinge auslöscht. Und man muss dankbar dafür sein, dass es diese schönen Dinge überhaupt gibt, auch wenn sie selten sind. Es gibt so viele verschiedene Arten des Leides, wenn man mal an all die anderen Länder auf der Welt denkt. Alle haben irgendwelche Wunden - innen und außen. Ich habe gute Dinge in meinem Leben und deshalb lebe ich noch. Ich habe ein paar Wunden in mir drin und ich habe einige Kämpfe hinter mir. Es war schwierig und hart, aber ich bin dankbar, dass ich so viele hinter mir habe, die mit mir kämpfen.

Aber das Leben ist schwierig. Manchmal zu schwierig. Manchmal will man einfach nur verschwinden, wenn alles in einem schreit.

Ich muss daran denken, dass das Leben zu kostbar ist, um es zu verlieren. Es gibt so viele Möglichkeiten, auf die man sein Leben verlieren kann, und damit meine ich nicht einmal den Tod. Es ist jedoch sicher, dass jeder es verdient hat, zu leben. Wir können uns glücklich schätzen, ein Leben haben zu können, und dafür muss ich dankbar sein.