Dienstag, 18. Februar 2014

Enttäuschung

Mir geht es gerade nicht so gut. Ich dachte, es würde jetzt alles okay sein und ich würde die passende Hilfe bekommen. Aber dann wurde ich zur A3 hinzugefügt (Abteilung 3), wo ich fast fünf Monate verbracht habe und ständig fixiert wurde (also wortwörlich ans Bett gefesselt). Ich könnte viel über die Behandlungsmethoden sagen, aber das werde ich nicht. Ich dachte, ich müsste nie wieder an diesen Ort zurück. Erinnerungen sind hier, ich habe Angst und fühle mich sehr unsicher.
Mir wurde gesagt, ich würde jetzt die richtige Hilfe bekommen, die passende Hilfe für meine Probleme, und dann passiert das. Ich bin so enttäuscht und verwirrt, dass ich keine Ahnung habe, was jetzt passiert. Neun Jahre Behandlung und nie die richtige. Vielleicht war die Behandlung vor einem Jahr nicht verkehrt, wo ich wenigstens wie ein Mensch behandelt wurde. Ich habe mich sicher gefühlt und das hat auch zur Therapie beigetragen. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass man sich in der Klinik sicher fühlst. Ansonsten ist man verloren.
Ich habe es satt, krank zu sein, und ich weiß, dass ich mein Leben in die Hand nehmen muss, um gesund zu werden. Um ehrlich zu sein weiß ich nicht, was ich machen soll. Ich weiß nicht, wie man normal auf Emotionen und Gedanken reagiert. Ich habe mit Impulsivität zu kämpfen und reagiere häufig auf Gedanken. Das ist nicht etwas, was ich machen möchte. Aber ich weiß auch nicht, wie ich da rauskomme. Ich weiß nur, dass ich es nicht mehr möchte. Ich kann dieses Leben nicht mehr aushalten. Ich will doch einfach nur die Schule beenden und eine Ausbildung beginnen. Ich möchte gesunde Gedanken - keine destruktiven Gedanken. Es ist frustrierend, ständig schwarz zu sehen.

Samstag, 15. Februar 2014

Gerade sitze ich auf dem Sofa im Gemeinschaftsraum vom Krankenhaus. Es ist die vorletzte Nacht hier und ich bin jetzt seit zwei Wochen hier. Ich glaube, ich muss ein wenig die gute Arbeit hier loben. Die Ärzte und Schwestern haben wirklich gute Arbeit geleistet und zum ersten Mal habe ich mich wirklich sicher gefühlt. Es war gut, weil ich mich erholen konnte und kein Chaos in meinem Kopf war. Kein emotionaler Zusammenbruch, einfach nur ausruhen.

Am Montag werde ich weiterreisen. Ich gehe in eine Klinik, die ich schon kenne, aber auf eine andere Station. Das ist eine Erleichterung für mich, aber genau will ich nicht drauf eingehen.

Heute habe ich - wiedermal - über mein Leben nachgedacht. Mit elf wurde ich krank, aber ich hatte dennoch ein Leben. Ich hatte Freude in meinem Herzen. 2009 und 2010 war ich hauptsächlich zuhause. Ich hatte zwei tolle Jahre. Hatte super Noten in der Schule, bin auf Partys gegangen, hatte viele Freunde, einen Freund, meine Familie. Ich bin total aufgeblüht. Ich hatte etwas, für das es sich aufzustehen lohnte; habe gelebt, auch wenn ich mit der Bulimie zu kämpfen hatte. Ich habe mein Leben gelebt und war glücklich. Jetzt habe ich nichts. Ich sehe, dass die Krankheit mir alles genommen hat. Alles, was mir bleibt, ist meine Familie. Für die ich unglaublich dankbar bin, weil ich sie manchmal auch fast verloren hätte. Ich habe meinen wundervollen Freund verloren, den ich über alles geliebt habe. Ich gehe nicht mehr mit Freunden raus, ich bin einfach allein. Ich habe eine soziale Angststörung, weshalb viele Aktivitäten anstrengend und zur Last werden und ich sie gar nicht erst angehen möchte. Viele Kliniken nehmen mich nicht an, weil ich starke Selbstverletzung habe und sie das nicht behandeln. Ich werde nach Hause geschickt und rutsche wieder in einen zerstörerischen Teufelskreis, wo alles Negative sich immer und immer wieder wiederholt. Ich verliere so langsam den Mut und werde müde. Mir tut alles so schrecklich leid und es macht mich traurig, dass ich so viel verpasst habe und kein normales Erwachsenenleben habe. Ich bin ein gewöhnlicher Mensch und irgendwann hört das Leben auf, ich kann nicht ewig so zerstörerisch sein. Ich vermisse das Mädchen, das ich einmal war. So energisch, glücklich, hoffnungsvoll, offen, mit einem starken Willen und einer großen Sturheit. Ich hatte alles in meinem Leben. War gesund. Was dann passiert ist? Frag ich mich auch oft. Und manchmal merke ich, dass die Schuld nicht nur bei mir liegt. Es gab Menschen in meinem Leben, die mich Grausamkeiten und Missbräuchen ausgesetzt haben, die kein Mensch erfahren sollte. Diese Erfahrungen haben mich ruiniert. Hat all das Leben aus mir gesogen. Und eine schreckliche und tödliche Krankheit kam in meinen Körper. Sie könne mich glücklich machen, flüsterte sie. Sie erzählte mir Lügen und brachte mich dazu, ihnen zu glauben. Es waren meine Wahrheiten und kein anderer sollte diese kennen. Jeglicher Verstand war nicht da, ich war in meiner Seifenblase. In der ich seit neuen Jahren bin. Ich versuche, sie zu verlassen. Ich versuche so stark, um Hilfe zu bitten, dass mir andere Leute die echten Wahrheiten in mich prügeln, aber ich falle in die Krankheit zurück, immer wieder.

Das ist so erschöpfend, weil ich einfach nur normal sein will. Ich will einfach nur mein Leben leben. Ich möchte reisen, die Kontinente entdecken, ich möchte in eine andere Stadt ziehen und studieren, meinen Traum erfüllen. Aber ich falle in alte Muster zurück und bleibe in meiner Seifenblase.
Meine Krankheit besteht aus so viel Scham - die Essstörung. Es ist schwierig, darüber zu schreiben. Es fing mit Anorexie an, dann Bulimie und jetzt ist es... ein Misch aus Anorexie, Bulimie und zwanghaftem Fressen. An manchen Tagen hungere ich. An manchen übergebe ich mich. Und an manchen kann ich nicht aufhören zu essen und stopfe mir eine Sache nach der anderen in den Mund. Ich habe ein gesundes Gewicht und das ist unglaublich schwierig und schrecklich. Ich bin das nicht gewohnt und ich verstecke mich unter lockeren Klamotten und gehe nicht raus. Ich habe so Angst, mich zu zeigen. Ich habe Angst, dass Leute mich verurteilen und mich schwach finden, weil ich so viel esse.
Ich weiß, das klingt total komisch und bescheuert. Ich habe so Angst und bin so erschöpft. Warum kann ich nicht normal essen, es in mir behalten, und nicht zig Süßigkeiten in mich stopfen, weil ich einmal angefangen habe. Wenn ich morgens esse, dann muss ich mehr essen. Eis, Süßigkeiten, Kekse. Egal, was ich esse, es muss immer sowas folgen. Ich will nicht so viel darüber schreiben, weil ich es selbst nicht verstehe und es mir unglaublich peinlich ist.

Und jetzt genug. Ich bin müde und habe Angst vor der Zukunft. Ich kann jetzt noch nicht schlafen, aber werde jetzt so langsam in mein Zimmer gehen. Habt einen schönen Sonntag.

Mittwoch, 12. Februar 2014

On the road again

Ich weiß, ich hab mich schon länger nicht mehr gemeldet, tut mir leid. Es ist wieder viel passiert, mein Internet hat gesponnen oder ich war nicht in der Lage, ins Internet gehen zu können. Vor zwei-drei Wochen war ich so demotiviert, dass ich keine Ahnung hatte, wie es weitergehen würde. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das Leben je gut werden würde. Ich hatte keine Hoffnung und keinen Glauben an ein gesundes Leben. Ich wusste, dass der Weg zur Gesundheit uneben und hart werden würde, aber dass die Dinge SO hart werden...?
Seit einem Jahr befinde ich mich in einem negativen Kreis, in dem sich alles irgendwie gegen mich wendet. Ich mache einen Schritt nach vorne und drei wieder zurück. Das war nicht nur für mich deprimierend, sondern auch für meine Familie. Wann kommt endlich das berühmte Licht am Ende des Tunnels? Die letzten sechs Jahre bin ich immer zwischen meiner Klinik hin und her getingelt und die Dinge wurde immer nur schlechter, ohne dass ich genauer darauf eingehen möchte. Hauptsächlich funktioniert das Programm in der Klinik für mich nicht. Ihre Therapieformen sind für mich sehr schrecklich und nicht geeignet und zum Glück hat meine Familie das auch gesehen. Sie haben nicht darauf bestanden, dass ich dorthin gehe, auch wenn es der einzige Ort war, an dem ich vor meiner Krankheit beschützt werden konnte. Diese Klinik war quasi der letzte Ausweg. Für sie ging es nur darum, mich am Leben zu halten, aber auch ich habe Gefühle. Meine Zeit dort fand ich immer sehr traumatisierend. Ich fühlte mich wie ein Tier, das einfach nur eingesperrt wurde und nach dem immer wieder geschaut wurde, ob es noch lebt. Hier und da gefüttert, egal wie, auch unter Zwang, Medikamente gegeben, und wieder weggesperrt. Also habe ich mich entlassen, immer und immer wieder. Aber Zuhause war es auch nicht gut. Die Krankheit war in mir und war präsent, egal was ich getan hab. Letztlich habe ich darauf reagiert und nach destruktiven Handlungsweisen gehandelt. Ich hatte keine Wahl, so fühlte es sich jedenfalls an. Ich weiß, dass ich immer eine Wahl habe, aber mit dieser Krankheit fühlt es sich anders an. Alles reagiert auf Impulse. Ich reagiere impulsiv, destruktiv, und das fühlt sich richtig an. Ziemlich komisch, aber so ist es eben.

Jetzt gerade liege ich im Krankenhaus und warte darauf, dass sich mein Körper erholt, damit ich eine neue Therapie beginnen kann. Schule ist erstmal nicht möglich. Ich werde bald in eine ganz andere Klinik gehen, die etwas von Zuhause entfernt ist. Aber vielleicht ist der Abstand, die Distanz, auch gut. Ich bin jedenfalls sehr gespannt. Viel passiert gerade und meine Diagnosen und Therapien werden besprochen.
Es ist so unglaublich wichtig, dass ich mitarbeite. Wenn wir das mal mit dem Autofahren vergleichen... Wenn mir gesagt wird, dass ich an der Kreuzung rechts abbiegen muss, dann kann ich nicht nach links oder gerade aus fahren. Wenn ich anhalten soll oder langsamer fahren soll, dann kann ich nicht beschleunigen. Das hab ich in den letzten Jahren häufig so gemacht. Das ist mein Problem. Ich mache das Gegenteil von dem, was mir gesagt wird. Dann fühle ich mich in Kontrolle. Ich weiß nicht warum, ich weiß nur, dass ich machen muss, was mir gesagt wird, auch wenn es sich falsch anfühlt.

Ich hoffe jedenfalls, dass ich bald die richtige Hilfe bekommen werde. Ich bin gespannt, was auf mich wartet und wie die Therapie aussehen wird.
Und damit beende ich mein kleines Update aus meiner Welt.