Montag, 28. Juli 2014

Das Leben geht hoch, hoch, hoch!

Ich weiß nicht genau, wo ich anfangen soll. Ich möchte einfach alles erwähnen, was in der letzten Zeit gut funktioniert. Ich meistere die Herausforderungen und fühle mich wie ein anderer Mensch. Es fühlt sich so gut an, seine Kämpfe zu gewinnen und all das schöne im Leben zu erreichen, um das man kämpft. Man muss daran arbeiten, dass es gut wird. Ich denke konzentriert, bin fokussiert und konstruktiv. Ich arbeite an einem gesunden Körper mit Kraft, den ich lieben kann und mit dem ich trainieren kann, weil mir das unglaublich wichtig ist. Das hilft mir, mit anderen Dingen klarzukommen und mich selbst vorwärts zu treiben.
Jahrelang war ich nicht wirklich Zuhause, aber jetzt gehe ich jeden Tag für ein paar Stunden nach Hause und führe ein normales Leben. Gesunde Dinge, normale Dinge. Ich lerne, meine Tage mit guten Sachen zu füllen und das muss ich auch Zuhause machen.
Ich möchte diesen Kampf gewinnen. Und wenn ich ehrlich bin, dann denke ich, dass ich zu 75% gesund bin. Ich bin stabiler, was die Stimmungsschwankungen betrifft und kann mit meinen Gefühlen besser umgehen. Ich bestrafe mich nicht dafür, wenn ich wütend oder traurig bin. Ich sehe Wut nicht mehr als Schwäche an. Es ist eine normale Reaktion auf Dinge, die am Tag passieren. Und es gibt nicht nur Freude und Wut. Ich kann traurig sein, enttäuscht, frustriert, glücklich, unsicher, ängstlich und und und. Daran habe ich mich noch nicht ganz gewöhnt, aber das wird. Das weiß ich.
Das Ziel ist, gesund zu bleiben. Aber was ist "gesund"? Was meint das genau? Für mich ist das z.B., wenn ich zwischen Gefühlen und Hunger unterscheiden kann und das Essen nicht dafür verwende, um mit Gefühlen umzugehen. Das gleiche gilt für mein Gewicht, meinen Körper oder destruktive Verhaltensweisen. Wenn man mit Gefühlen in einer normalen Art umgeht, statt destruktiv zu sein. Wenn man weiß, dass Gefühle okay sind. Wenn man weiß, wie man in schwierigen Situationen handeln muss. Wenn man nicht impulsiv reagiert oder auf Autopilot schaltet. Es gibt viele Dinge, die man erreichen muss, bevor man gesund ist, und das dauert so seine Zeit. Aber ich denke, wenn ich gesund bin, werde ich das schon wissen.

Für mich ist es wichtig, jeden Tag die richtigen und guten Entscheidungen zu treffen, meine Tage gesund zu füllen. Ich arbeite mit Tagesplänen, die mir sagen, wann ich essen soll, wann ich Sport treibe, wann ich alleine bin und sowas. So langsam sind wir in einer Phase angelangt, wo ich immer weniger überwacht werde und mehr Verantwortung bekommen. Das ist harte Arbeit und setzt voraus, dass ich mich konzentriere, dass ich ehrlich bin, motiviert bin und mit dem Team zusammenarbeite. Manche Tage sind besser als andere, aber so ist das. Es geht vorwärts. Ich merke, wie ich ängstlich werde und es mir leid tue, wenn ich einen Schritt zurück mache, aber ich sehe auch, dass ich anschließend zwei Schritte nach vorne mache.

Gestern hat mich mein Vater auf seinem Motorrad abgeholt und wir sind nach Hause gefahren. Zum ersten Mal in einem halben Jahr war ich bei ihm Zuhause und das war sehr schön. Ich habe gemerkt, wie anders ich doch bin. Außerdem hat mein Vater sein Haus ein wenig verändert und diese Sachen habe ich jetzt zum ersten Mal gesehen. Wir haben auch meine Schwester und meine Nichte und meinen Neffen besucht und es war so schön, die wiederzusehen. Alles war so normal und gesund und ich habe mich so gut gefühlt. Ich weiß, dass das zur Normalität werden kann. Nichts ist unmöglich. Ich möchte leben, nicht nur existieren. Ich möchte gesund werden und die kranken Tage hinter mir lassen.

Sonntag, 20. Juli 2014

Ich höre deine Stimme, Anorexie.

Ich bin 21 Jahre alt und habe mit Magersucht und Bulimie zu kämpfen, seit ich 11 Jahre alt bin, und tue das noch immer. So. Ich musste es einfach mal sagen. Ich habe noch immer damit zu kämpfen, aber ich kämpfe. Jeden Tag muss ich Herausforderungen bewältigen und die richtigen Entscheidungen treffen. Ich muss lernen, meine eigenen Gefühle zu verstehen. Es geht um Kontrolle, es geht um Gefühle. Die Gefühle zu unterdrücken, sie loszuwerden. Es hat neun Jahre gedauert, bis mein Gewicht normal war und als es das war, kamen die Gefühle und die anderen Krankheiten wurden stärker. Jetzt liegt der Fokus auf Dissoziation, Selbstverletzung, Stimmungsschwankungen. Langsam sehe ich, dass ich die Anorexie jetzt häufiger benutze, um die anderen Krankheiten zu verdrängen. Ich habe mit Magersucht und bulimischen Phasen zu kämpfen und das ist scheiße, weil ich da nicht wieder rein will.

Es geht auf und ab und das ist so anstrengend. Meine Welt ist schwarz oder weiß, alles oder nichts, und ich arbeite daran, ein Mittelding zu finden und dort auch zu bleiben.
Für die nächste Woche habe ich mir ein paar Ziele gesetzt, damit ich nicht wieder auf den falschen Weg gerate. Ich arbeite da jetzt so lange dran, ich kann nicht wieder abrutschen.

Samstag, 19. Juli 2014

Herausforderungen

Mein Leben geht ständig auf und ab. Das letzte Wochenende war ziemlich gut, aber Sonntag hatte ich wieder das Gefühl, ein wenig down zu sein. Diese Woche war dann nicht so gut. Ich habe quasi nur geschlafen und TV geschaut. Gegessen habe ich auch nicht so gut. Ich bin ziemlich unentschlossen. Ich weiß, dass es auch an schlechten Tagen wichtig ist, dass ich esse, weil ich dann weniger anfällig für Magersucht, Bulimie, Selbstzerstörung, Dissoziation und Anfälle bin. Aber zum Glück wird die Essstörung hier sehr ernst genommen. Wenn ich nicht genug esse, darf ich auch nicht an besonderen Aktivitäten teilnehmen. Wenn ich wenig esse, bekomme ich auch wenig Leben. Das ist gut so. Dadurch bekomme ich eine Art Belohnung, wenn ich gut esse.
In den letzten Wochen war ich viel gesünder und darauf muss ich mich konzentrieren. Ich muss an die guten Entscheidungen denken. Das ist schwierig, wenn ich down bin. Und ich kenne den Unterschied der Tage, an denen ich gut esse, und denen, an denen ich das nicht tue. Die negativen Gedanken sind viel stärker, wenn ich meinen Körper nicht vernünftig ernähre.

Ich habe ein bisschen Sorge dafür, wie es mit der Essstörung wird, wenn ich in eine andere Klinik gehe (im August soll ich wahrscheinlich in eine andere Klinik). Ich habe so hart gearbeitet und bin jetzt so lange bei einem gesunden Gewicht, da darf ich nicht wieder abnehmen. Ich weiß, dass es das nicht wert ist. Ich kann nicht wieder in die magersüchtige Hölle gehen. Das ist die Hölle und ich habe mich bereits für das Leben entschieden.

Dienstag, 15. Juli 2014

Meine Geschichte wird zur Sonnen-Geschichte

Ich möchte, dass meine Geschichte zu einer Sonnen-Geschichte wird. Eine Geschichte, wo die Dunkelheit lange überwiegte, wo das Böse mich in eine destruktive Welt gezogen hat, wo alles sich unmöglich anfühlte. Eine Geschichte, in der das logische Ende der Tod gewesen wäre. Eine Geschichte, in der ich nur eine Puppe war, die von dunklen Fäden gezogen wurde. Eine Geschichte, in der Freunde und Familie mich wieder und wieder verlieren. Eine Geschichte, in der ich die Dunkelheit wählte, weil ich kein Licht sah. Meine Geschichte erzählt, dass diese Tage der Vergangenheit angehören und das schlimmste vorüber ist. Weil ich das Licht gefunden habe. Der Kämpfer war immer irgendwo vorhanden und konnte das Licht erreichen. Aber ich musste erst alles durchleben, bevor ich die Kraft finden konnte und meinen Willen benutzen konnte. Ich musste mich meinen größten Ängsten stellen, sie akzeptieren, sie aushalten und mir beweisen, dass ich stärker war. Ich habe so lange in der Dunkelheit gelebt und wusste nie genau, wer ich eigentlich bin. Stattdessen habe ich mich der Krankheit zugedreht. Ich hatte solche Angst und war immer auf Autopilot. Autopilot - Magersucht, Bulimie, Dissoziationen, sehr, sehr destruktiv. Der Autopilot war betäubt, spürte keine Emotionen. Ich habe nach einem Leben ohne Emotionen gesucht, weil ich Angst davor hatte.
Auf meinem Weg wurde ich gezwungen, mich meinen Gefühlen auszusetzen. Aber weil ich keinen Glauben an mich selbst hatte, bin ich weggelaufen. Zehn Jahre bin ich vor mir geflohen und hab das hinter mir gelassen, was in mir drin war. Viele Wunden. Manche reagieren auf Wunden mit Wut. Sie schlagen in Kissen, treten auf den Boden, laufen durch den Regen oder sprechen. Ich bin zusammengebrochen und habe mich dafür bestraft, dass ich Emotionen zugelassen habe. Es war ein langer Prozess, die Gefühle zu verstehen und sie gleichzeitig auch zu akzeptieren, und in diesem Prozess habe ich Dinge erlebt, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie existieren. Ich habe mich nach vorne getrieben und gewonnen. Meine Ziele erreicht. Ich bin nicht gestorben, wenn ich mich Dingen ausgesetzt habe. Ich habe realisiert, dass das Leben auf und ab geht und dass ich das will, weil es auch gute Sachen bringt. Diese guten Sachen haben mir so viel Hoffnung gebracht. In schlechten Zeiten wusste ich, dass es auch wieder besser werden würde. Diese Reise hat etwas mit mir gemacht. Sie hat mir gezeigt, wie wichtig die kleinen Dinge sind, und das hat mich gestärkt. Ich bin reifer geworden und glaube mehr an mich selbst. Ich vertraue mir und glaube an mich. Wenn ich irgendwo versage, dann ist das nur menschlich und ich kann etwas davon lernen. Ich lerne zu leben. Auch, wenn ich in der Klinik bin, lebe ich. Ich bin in der Realität und laufe nicht davon. Das ist neu und ein wenig gruselig, aber auch sehr gut. Zum ersten Mal in zehn Jahren weine ich, wenn ich traurig bin, ich lache, wenn ich glücklich bin, ich kann über meine Leidenschaften diskutieren und habe eine Meinung. Ich kann über komische Dinge lachen, bis mir die Tränen kommen und ich kann mit mir und anderen ehrlich sein. Da gibt es diese Freiheit, wenn man ehrlich ist. Meine Diagnosen sind noch präsent und jeden Tag gibt es Herausforderungen, aber ich bin nicht destruktiv und weiß, dass ich in die richtige Richtung gehe. Ich habe realistische Ziele und das bedeutet auch, dass ich mich jeden Tag meinen Ängsten stellen muss.

Ich halte mir oft vor Augen, wie glücklich ich mich schätzen kann. Weil ich das alles überlebt habe und so weit gekommen bin. Ich habe viel Hilfe bekommen. Ich arbeite mit den Menschen zusammen, die mir dabei helfen, gesünder und gesünder zu werden. Das Ziel ist, dass ich ich selbst werde, ohne eine Krankheit, die mich zurückhält, und dass ich so stark werde, dass ich die Krankheit in ihre Schranken weisen kann. Dass ich meine Träume verwirklichen kann. Meine Geschichte wird zu einer Sonnen-Geschichte, wo die Sonne die Dunkelheit besiegte. Ich besiegte die Dunkelheit.

Die Dunkelheit umgibt mich zwar ständig und ich habe noch einen langen Weg vor mir, aber ich bin auf dem Weg. Das Leben ist eine Achterbahn, manchmal so schlimm und tief, aber an den Höhepunkten ist es das wert.

Montag, 14. Juli 2014

Mein Tag

Der zweite Post für heute, aber ich wollte auch noch etwas darüber schreiben, wie es mir geht.
In der letzten Zeit ging es sehr viel um Gefühle und Emotionen. Es geht auf und ab und ich habe starke Stimmungsschwankungen. Ich habe öfters dissoziiert und hatte meine Anfälle, aber es ist schon weniger geworden. Ich bin stabiler und bekomme mehr Freiheiten, habe aber gleichzeitig auch meine Einschränkungen und Grenzen, wenn ich die brauche. Ich bekomme nach und nach mehr Verantwortung. Das ist ein wenig gruselig, aber auch gut. Manchmal male ich mir die schlimmsten Szenarien aus. Was, wenn ich dissoziiere und mich dabei ernsthaft verletze? Dann bin ich wieder am Anfang. Was, wenn ich sterbe?

Ich versuche mich jeden Tag daran zu erinnern, dass ich an mich glauben muss und die Herausforderungen meistern werde. Ich bekomme mehr Aktivitäten am Tag, aber dafür muss ich auch gut essen und trinken. Aber das ist okay. Die Aktivitäten tun mit gut. Ich kann besser denken und bessere Entscheidungen treffen. Ich weiß, dass ich stärker werde, dass ich reife und mich verändere. Das ist ein wenig gruselig und manchmal überwältigend, aber auch gut. Es ist alles so unbekannt und das macht mich sehr emotional. Das kenne ich so nicht.
Ich merke, dass ich die Nahrung brauche, um ich selbst zu sein. Wenn ich weniger esse, bin ich anfälliger für Dissoziationen und Anfälle, was bedeutet, dass ich passiver bin und schlechte Entscheidungen treffe und keine Gefühle spüre. Ich habe dann weniger Kraft und werde schwächer. Ich darf dann auch weniger Aktivitäten machen. Also muss ich essen. Um die Therapie zu bewältigen, um gesund zu denken, um gute Entscheidungen zu treffen, esse ist. Das ist schwierig, weil die Krankheit so stark ist, aber ich muss die richtigen Entscheidungen treffen. Die Entscheidungen bringen mich nach vorne und zeigen mir neue Arten zu denken. Ich glaube mehr an mich und versuche so gut es geht die Hilfe anzunehmen. Alles kann mir helfen. Ein Lächeln, ein Gespräch, Musik.
Ich habe ein wenig Angst vor dem was kommt. Aber ich weiß auch, dass es besser wird und dass es im Nachhinein alles wert sein wird.

Du wirst sterben und ich werde leben

Liebes Mädchen,
ich weiß, dass du mir Tag für Tag die Kraft nimmst. Ich sehe, dass du gesünder denkst und gesünder handelst und mich wegdrückst. Erinnerst du dich nicht daran, was ich dir bieten kann? Du hast es selbst gesagt, es geht auf und ab. Ich kann dafür sorgen, dass du nichts mehr spürst. Ich kann dir ein Leben ohne Emotionen, die dir nur schaden, geben. Siehst du das nicht? Wenn du die guten Entscheidungen triffst, muss ich stärker sein. Du setzt dich Sachen aus, die gefährlich sind, das habe ich dir immer gesagt. Ich zeig dir, wie gefährlich sie sind. Weißt du nicht mehr, wie einfach es war, als wir Freunde waren? Erinnere dich an die, die dich hängen gelassen haben, als das Leben schwierig wurde. Ich habe dich nie hängen gelassen. Ich war immer da. Ich folge dir jeden Tag und sehe, was du tust. Du versuchst mich umzubringen, nach all dem, was ich für dich getan habe. Du musst dich entscheiden... du wirst schmutzig und wertlos sein, aber ich kann dir helfen, rein und perfekt zu werden. Das wolltest du doch immer. Perfektion. Ich kann dich perfekt machen. Aber was machst du? Verlässt du mich? Tust du das, beschwöre ich dir eine Hölle herauf. Ich weiß, dass du das weißt. Ich kenne deine Schwächen und ich weiß, dass du Angst hast.

Liebe Krankheit,
du hast Recht und ich weiß, dass du stärker kämpfst, je mehr du verschwindest. Aber du musst wissen, dass ich nicht mehr deine Freundin bin. Ich weiß, dass du mich ab und ab überzeugen kannst und mich dazu verleitest, die falschen Entscheidungen zu treffen. Aber manchmal und immer häufiger kann ich deine Lügen aufdecken und die Realität sehen. Ich bin umgeben von der Liebe meiner Familie und meiner Freunden, ich habe gute Hilfe, um gegen dich zu kämpfen. Und auch, wenn du ein emotionales Chaos anstellst, so weiß ich doch eine Sache. Ich will leben. Ich habe entdeckt, wie schön das Leben sein kann. Deshalb nehme ich die Hilfe an. Ich habe es so satt, Kalorien zu zählen und ständig daran zu denken. Ich gehe viel lieber schwimmen, gehe in Cafes, esse Eis, singe, spiele Handball. Ich will, dass du eine Sache verstehst. Ich bin auf dem Weg. Auf dem Weg der Besserung. Ich denke nach. Und bald wird es einfacher sein, die richtigen Entscheidungen zu treffen, weil es Routine wird. Ich werde mir etwas neues aufbauen, wodurch ich an mich glauben kann und stark werde. Ich weiß, was ich will. Auch, wenn du stark bist - ich bin es auch. Und mit den anderen sind wir stärker als du. Das heißt, dass du verlieren wirst und ich gewinnen. Das heißt,d ass ich es tun werde. Das heißt, dass ich nicht aufgeben werde, sondern du.
Also los, zeig mir deine Tricks, vielleicht falle ich darauf rein, aber daraus werde ich lernen. Ich werde leben. Du wirst sterben und ich werde leben.

Samstag, 12. Juli 2014

Schöner Tag

Es ist schon wieder ein paar Tage her, dass ich geschrieben habe. Es passiert einfach viel. Gute Dinge. Zugegeben, für andere sind diese Sachen nicht sonderlich spannend, aber für michs ind sie wundervoll. Eine gesunde Entscheidung nach der anderen, ich sehe meine Fortschritte. Ich gehe wichtige Schritte, esse besser. Ich mache Sport, ich spreche, ich schreie, ich weine. Aber hauptsächlich rede ich und das ist neu für mich. Ich spreche über meine Schmerzen, ich öffne mich und mir wird zugehört. Ich kann meine Gedanken von gesund und krank trennen und gestern habe ich auch meine Gedanken in die Realität umgesetzt. Das mache ich selten, weil ich Angst habe, Angst vor Emotionen. Ich weiß nicht, wie ich mit denen umgehen soll und darauf bin ich nicht stolz. Ich hab nicht an mich geglaubt. Aber andere haben das getan und dafür bin ich dankbar. Sie haben mich in der letzten Zeit gepusht und ich bin dankbar, dass ich davon positive Resultate erhalten habe. Emotionen sind nicht gefährlich. Und das konnte ich nie so wirklich verstehen, weil ich es nie erlebt habe.
Auf die Stimmen darf ich nicht hören, denn sie lügen nur. Ich muss auf die um mich herum hören. Ich muss loslassen. Den kranken Kopf hinter mir lassen, von der Krankheit weggehen. Und das ist unglaublich beänstigend und gruselig. Die Anorexie schreit, wenn ich esse. Ich bin dreckig. Ich habe mich so dreckig gefühlt, dass ich von keinem berührt werden wollte. Aber sobald mein Kopf ein wenig Nahrung bekommen hat, konnte der auch besser arbeiten. Ich konnte einfacher denken, positiver denken. Die letzten Tage waren gut. Ich habe gelacht. Ich war gestern mit meiner Mutter in der Stadt. Wir waren in einem Café, waren shoppen. Und es war so schön, einfach nur Zeit mit ihr zu verbringen und gesund zu sein. Auf dem Rückweg gab es frische Erdbeeren. Morgen gehe ich schwimmen. Ich freue mich drauf!

Ich weiß aber auch, dass es auf und ab geht und dass meine Probleme immer wieder hoch und runter gehen. Aber ich kann besser damit umgehen und ich weiß, was ich will. Das darf ich nicht vergessen. Ich muss jeden Tag arbeiten und ich bin motiviert. Das Leben ist nicht schwarz oder weiß. Ich lebe, auch wenn ich krank bin. Ich bin gesünder.
Ich bin dankbar und glücklich. Gestern war ein schöner Tag und ich habe mich wie ein Mensch gefühlt. Und heute kann es weitergehen.

Dienstag, 8. Juli 2014

Abwärtstrip Anorexie

In der letzten Zeit lief alles so gut. Alles funktionierte. Wenn es schwierig wurde, konnte ich darauf antworten. Ich habe gewonnen. Aber es ist auch eine Tatsache, dass es mit meiner Krankheit immer hoch und runter geht. Ich bin emotional nicht stabil und das ist sehr anstrengend. Die Stimmung geht auf und ab. In der letzten Zeit habe ich es geschafft, nur die richtigen Entscheidungen zu treffen und das war wundervoll. Die Regeln wurden gelockert, weil ich solche Fortschritte gemacht habe.
Aber jetzt. Ich fühle mich so unentschlossen. Ich möchte nicht kämpfen. Ich kann nicht an meine Ziele denken. Das hat vielleicht Mitte letzter Woche angefangen. Ich habe wenig gegessen. Aber dafür konnte ich dreimal die Woche trainieren, Sport treiben. Aber jetzt, wo ich weniger gegessen habe, durfte ich nicht. Ich war so wütend, weil das für mich so wichtig war. Ich bin aktiv und gesünder und weiß, dass ich essen muss. Ich weiß, dass ich nur Sport machen darf, wenn ich esse. Vielleicht esse ich nicht genug, aber das braucht ein wenig Zeit. Ich weiß aus der Vergangenheit, dass ich automatisch mehr esse, wenn ich aktiv bin.
Aber gerade bin ich so unentschlossen und kann nicht essen.

Ich weiß natürlich, was richtig ist, aber die Magersucht ist so stark. Ich sehe, dass meine Klamotten zu groß sind, ich kontrolliere meinen Körper, zähle Kalorien. Ich glaube, dass es daran liegt, dass ich zu wenig esse. Aber ich habe diese Stimmen im Kopf, die mich beängstigen und mich davon abhalten, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich habe Angst, dass das zu weit führt.
Ich möchte nicht wieder in die Magersucht rutschen. Deshalb muss ich jetzt anfangen, bevor es zu spät ist.

Und gleichzeitig bin ich von den Dissoziationen so müde. Ich suche nach Mitteln, damit umzugehen, aber ich darf mich nicht verletzen. Ich darf mich auch nicht übergeben. Also ist es automatisch die Anorexie. Das ist ein Teufelskreis und ich weiß, dass ich jetzt eine Entscheidung treffen muss.

Ich hab die Krankenhäuser und Kliniken so satt. Ich möchte einfach nur raus und normal sein. Warum kann ich nicht einfach leben, ohne Schmerzen. Ohne diesen Schmerz in meinem Herzen. Wird der jemals verschwinden? Werde ich irgendwann überhaupt frei sein?

Am Freitag hatten wir ein Gespräch mit den Ärzten und ich habe den Wunsch geäußert, ein wenig mehr Privatsphäre zu bekommen. Und auch, dass ich einmal die Woche bulimisch sein darf. Das passiert sowieso, also ist es doch besser, wenn es kontrolliert passiert. Es wurde abgelehnt und das hat mich wütend gemacht. Traurig und enttäuscht. Vorher habe ich immer darauf reagiert und irgendwas kaputt gemacht. Aber ich saß dann einfach nur in meinem Sessel und gespürt, wie die Tränen kamen. Ich habe versucht sie zurückzuhalten, weil ich nicht möchte, dass die mich so "schwach" sehen. Aber dann kamen die Tränen und ich habe geweint und geweint. Als es aufgehört hab, war ich ganz ehrlich mit dem Chaos in mir drin. Ich saß mit einer Mitarbeiterin auf dem Boden und habe eine Stunde mit ihr geredet. Danach hat sie mich gefragt, wie ich mich fühle. Ich fühlte mich befreit.
Endlich habe ich mal geweint, vor einer anderen Person. Das fühlte sich gut an. Es ist schwierig zu weinen, aber auch eine ganz normale Art, mit Dingen umzugehen.

Die Magersucht fühlt sich falsch an. Ich weiß, dass ich das nicht möchte, deshalb werde ich bald wohl die richtigen Entscheidungen treffen können. Jedenfalls muss ich das. Das Leben wartet. Und ich habe die Möglichkeiten gesehen, die man bekommt, wenn man gesünder ist. Ich muss es tun.

Mittwoch, 2. Juli 2014

"Das hättest du sein können"

In den Medien lesen wir viele traurige, verzweifelte und schockierende Sachen über Psychiatrien. Viele Leute schockiert das. Aber so ist es. Seit zehn Jahren bin ich in psychiatrischer Behandlung, habe einige Kliniken abgeklappert und viele Leute getroffen, die keine oder nicht die richtige Hilfe bekommen. Wir sprechen über menschliche Leben, die in den Händen von Psychologen und Ärzten liegen, die manchmal Dinge nicht ernst nehmen. Wir sprechen über Leute, die etwas verändern wollen, aber nicht die Möglichkeit dazu bekommen. Oft wird man weggeschickt, weil man nicht krank genug ist. Sie erfüllen nicht genug Symptome, treffen nicht auf die Beschreibung zu, kämpfen nicht genug. Manche werden aufgegeben und werden als "Behandlungsresistent" abgestempelt, auch wenn sie Hoffnung und den Glauben haben und wirklich kämpfen möchten. Ich habe viele Freunde deswegen verloren. Das macht mich so wütend. Wütend auf das System. Junge Menschen sollten nicht sterben. Ihnen soll geholfen werden, damit sie leben können.

Ich habe auch erfahren, von den Kliniken aufgegeben zu werden. Mir wurde gesagt, man würde mir helfen, aber irgendwann haben sie mich aufgegeben und mich nach Hause geschickt. Die Wahrheit war, dass ich zu krank war, um verstehen zu können, was in meinem Kopf passiert. Eingenommen von einem Dämonen, der mich letztlich fast getötet hätte. Das lag nicht in meiner Macht, aber das wusste keiner. Der Dämon hatte völlig Kontrolle über mich und es fällt mir schwer, mich daran zu erinnern. Aber nachher, nachdem ich zu meinen Sinnen kam und gemerkt habe, was ich getan hatte, das hat mir Angst eingejagt. Warum habe ich solche Sachen getan? Ich wollte nicht sterben. Ich hatte einen Dämon in mir, der die Kontrolle über meinen Körper hatte. Er wollte mich nur töten.
Aber dann bekam ich endlich Hilfe.

Ich bin eine derjenigen, die überlebt hat, auch wenn ich eigentlich hätte sterben sollen. Ich hatte das Glück, Hilfe zu bekommen und bekomme diese noch immer. Ich habe die Kontrolle über den Dämon, ich lächle, weil ich mich endlich lebendig fühle. Ja, ich bin noch in der Klinik und meine Lebensqualität ist nicht so gut, wie sie sein sollte, aber ich bin einfach nur dankbar. Ich lebe. Ich kann spazieren gehen, ich kann wieder laufen, ich kann lächeln, weil ich glücklich bin, ich kann Freude spüren. Ich werde gesünder.

Aber ich weiß auch, dass ich im Grab liegen könnte. Die Krankheit hätte gewinnen können. Aber das darf nie eine Option sein. Weil ich leben möchte. Und das ist mein Leben.