Freitag, 26. September 2014

Herzlich willkommen in der D-Klinik!

Ich bin Patientin in der D-Klinik und diesmal ist es so schön, das schreiben zu können. Ich dachte, ich schreib mal etwas über die erste Zeit hier, vor allem, weil ich grad nicht schlafen kann und Ablenkung brauche.
Der Abschied aus der O-Klinik war nicht einfach. Ich konnte nicht aufhören zu heulen, weil ich tolle Leute verlassen musste und die mir so unglaublich geholfen haben. Sie waren an meiner Seite und ich bin eine gesündere, selbstbewusstere und bessere Person geworden. Und dafür bin ich so dankbar.
Als ich hier in der Klinik ankam, war ich weder psychotisch, noch in Verbänden eingewickelt oder sonstwas. Ich habe gelächelt und war motiviert. Ein ganz normales Mädchen, die Haare schön gemacht, Make-Up, ich sehe viel gesünder aus. Da stellte sich mir auch die Frage, ob ich wirklich hier sein muss? Aber ja, das muss ich wahrscheinlich. Ich habe noch immer zu kämpfen, auch wenn ich in den letzten Monaten weit gekommen bin.
Ich bin wie ein normales 21jähriges Mädchen. Ich gehe gerne shoppen, schminke mich gerne, lese viel. Ich arbeite hart an mir, esse so viel ich kann und kämpfe mich durch Panikattacken. Und wenn die Panik kommt, weiß ich, dass ich eben doch noch in der Klinik sein muss. Dann bin ich nicht mehr das gesunde Mädchen, sondern ich dissoziiere, weil ich die Situation nicht ertragen kann. Mein Kopf schaltet ab, meine Muskeln spannen sich an, und irgendwann ist es vorbei. Die Angst ist nicht gefährlich, aber ich brauche jemanden, der dann nach mir schaut. Denn wenn keiner da ist und die Krankheit mich übernimmt, verletze ich mich so stark, dass ich keine Kontrolle habe. Aber ich lerne, die Kontrolle zu behalten.

Die letzten Abende waren ziemlich anstrengend und mit viel Angst verbunden, aber manche Abende waren auch sehr schön und ich hatte schöne Tage, deshalb muss ich weiterkämpfen und mich meinen Zielen nähern. Ich gebe mein bestes, weil ich unbedingt gesund sein möchte.

Die ersten Tage war ich sehr unsicher und ängstlich. Ich hab es nicht geschafft, mich der Gruppe anzuschließen, denn ich hatte so viele Gedanken, Gefühle, Ängste und Fragen. Was mach ich damit? Ich unterdrücke sie im Badezimmer. Ich habe die Essstörung benutzt, weil sie mir Sicherheit vermittelt, aber ich weiß auch, dass es falsch war. Ich weiß, dass ich so nicht weitermachen kann, deshalb hab ich es reduzieren können. Von... unzähligen Malen, die ich mich übergeben hab, ich mag die Zahl gar nicht nennen, zu zweimal am Tag. Ich habe angefangen, wieder mehr zu lesen und mich mit Leuten hier zu treffen, die Gruppe kennenzulernen, und mit ihnen und den Mitarbeitern der Klinik zu reden. Denn ich brauche Hilfe.

Die letzten Nächte waren anstrengend. Die Essstörung führt zu Angstgefühlen, dadurch werde ich unruhig, dadurch kommen Anfälle, der übliche Teufelskreis.

Jetzt gerade sitze ich hier und kann nicht schlafen, weil ich so bereue, was heute passiert ist. Ich habe mich selbstverletzt. Meine Arme habe ich schon lange nicht mehr verletzt und jetzt ist es wieder passiert. Wir waren in der Notaufnahme und ich wurde genäht. Ich hasse es, meine Arme sahen so gut aus. Zum Glück ging beim Nähen alles gut und es wird keine große Narbe werden, aber trotzdem. Es ist passiert. Ich hatte in der Situation keine Kontrolle. Ich hatte große Angst und hab mich selbstverletzt. Nicht so gefährlich wie sonst, aber dennoch. Das tut mir total leid.

Jetzt glaube ich aber, dass ich diesen Post beenden werde und versuche zu schlafen, denn morgen ist ein neuer Tag.

Dienstag, 16. September 2014

Danke O-Klinik - ein neuer Schritt beginnt

Meine letzte Nacht in der O-Klinik. Es ist sehr komisch, diesen Ort zu verlassen, wo er seit Anfang Mai mein Zuhause war. Als ich ankam, war ich sehr krank und wusste nicht, was mich erwarten würde. Aber ich habe mir bewiesen, dass das Unmögliche möglich war. Ich habe viele Kämpfe bestritten und hart gekämpft. Jedes Mal war es das wert. Ich habe viel gelernt, hatte viele starke Momente.
Ich habe mich besser kennengelernt, zum ersten Mal seit zehn Jahren.
Ich hatte unglaubliche Angst vor Gefühlen, aber habe mich langsam mit ihnen angefreundet, sodass sie heute für mich normal sind. Ich akzeptiere sie und bin froh, Gefühle zu haben. Ohne Gefühle ist das Leben langweilig. Ich weiß, was stark und schwach ist, ich kenne große und kleine Gefühle. Die waren sehr wichtig für mich und haben mich in einer neuen Weise lebendig fühlen lassen.
Ich fühle mich menschlich. Es ist normal, manchmal zu weinen, und sich danach erschöpft oder befreit zu fühlen. Es ist so schön, normale Gefühle erleben zu können, in den unterschiedlichsten Situationen. Meine natürlichen Reaktionen sind nicht mehr zerstörerisch. Ja, sie sind da, aber ich kann jetzt gesund auf meine Gefühle reagieren.
Dieses Mal konnte ich eine gute Beziehung zum Personal und den Therapeuten und Psychologen aufbauen und das hat sehr geholfen. Durch sie konnte ich viele Ziele erreichen. Ich war noch nie so gesund wie ich heute bin. Und deshalb möchte ich auch hier denen danken, die mir dabei geholfen haben. Danke, dass ihr so geduldig mit mir wart und mich nie aufgegeben habt. Ich bin so unendlich dankbar dafür. Ohne euch wäre ich nicht mehr am leben.
Ich werde weiterhin mit der O-Klinik zusammenarbeiten, wenn ich das muss. Aber ich möchte jetzt wirklich gesund werden und nicht zurückfallen. Kein zurück mehr, jetzt geht es nach vorne. Und wenn ich ein paar Schritte zurück mache, vergebe ich mir, stehe wieder auf und gehe vorwärts. Ich habe mich für das Leben entschieden und ich möchte leben.
Morgen geht es zurück in die D-Klinik. Eine neue Ära beginnt. Neue Herausforderungen, neue Eindrücke, eine neue Umgebung. Ich freue mich sehr drauf und bin unglaublich gespannt, also wünscht mir Glück.

Donnerstag, 11. September 2014

Phasen des Lebens

Verschiedene Phasen... Wir alle gehen durch verschiedene Phasen des Lebens, auch wenn wir krank sind. Im Laufen meiner Krankheit habe ich viele Phasen durchgemacht, sowohl schlechte als auch gute. Aber ich realisiere jetzt, dass all diese Phasen wichtig waren. Alle Phasen haben mir etwas beigebracht, wobei manche natürlich wichtiger für mich waren als andere.
Die ersten neun Jahre meiner Krankheit drehten sich hauptsächlich ums Überleben, aber ich musste dadurch gehen, um an dem Punkt zu sein, an dem ich heute bin. Damit ich eine Veränderung erreichen kann und gesund weitermachen kann. Ich habe entscheiden, stark genug zu sein oder stark genug zuw erden. Nach neun Jahren war ich bereit, Verantwortung zu übernehmen, für mich selbst, für meine Genesung, mit Hilfe von anderen Leuten. Ich habe gelernt, dass meine Essstörung andere Krankheiten überdeckt hat. Und danach kam eine andere Phase, vielleicht die schlimmste für mich. Trauma, Angststörung, unverdaute Emotionen und Gedanken, die über die Jahre hinweg einen anderen Zustand auslösten. Ein Jahr starker Selbstverletzung mit psychotischen Phasen. Wie konnten wir das verstehen?
Wir haben es nicht verstanden, aber wir wussten, dass das mein Leben beenden würde, wenn wir nicht die richtige Hilfe bekommen würden. Wenn ich nicht die richtige Hilfe bekommen würde. Und nach einer Weile habe ich diese erhalten. Eine neue Phase begann. Ich wollte mich nie damit umbringen und niemand hat mich so wirklich verstanden. Ich hatte kaum Hoffnung, hatte große Angst, war entmutigt und verzweifelt. Ich hab nicht verstanden, was da passierte. Ich habe nicht verstanden, wie ich mir solche Dinge antun konnte. Ich konnte es nicht verstehen. So viele Fragen, aber keine Antworten. Eine Phase meines Lebens.
Aber dann habe ich Hilfe bekommen und ein neuer Abschnitt begann. Eine Phase, in der ich mit der Hilfe von anderen jeden Tag mein Leben gerettet habe. Ich wurde 24/7 überwacht, weil ich das brauchte.
Ich habe daran gearbeitet und langsam die Kontrolle zurück erlangt.
In den letzten Monaten hatte ich täglich zu kämpfen, aber ich habe überlebt, ich bin hier, und das war das Ziel.
Die Erinnerungen sind da, an die Zeit, wo ich gefangen war wie in einem Gefängnis. Die verschwinden auch nicht so einfach. Die Angst, dass ich dort wieder lande, verschwindet nicht.
Aber wenn man mich mit von vor drei Monaten vergleicht, sieht man einen Unterschied.
Ich kämpfe jeden Tag, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich bestrafe mich nicht mehr für meine Gefühle, ich akzeptiere sie. Ich vertraue in mir selbst und weiß, dass ich der Boss bin. Ich akzeptiere mich mehr und bin freundlicher zu mir. Ich versuche, meinem Körper jeden Tag ausreichend Nahrung zuzuführen. Ich mache Dinge, die ich gerne mache. Die letzten Tage war ich sehr emotional und habe viel geweint. Die Tränen kamen sehr schnell und ich hab oft geweint und mich richtig ausgeheult. Aber das war unglaublich gut. Ich weine gerne. Das Gefühl danach ist schön.

Es gibt vieles, das mir noch zu kämpfen macht, aber auch so viel gutes. Es ist eine weitere Phase. Die wird vergehen und eine neue wird kommen.