Samstag, 26. September 2015

Frei von der Bulimie

Ich wurde gefragt, wie ich die Bulimie so plötzlich unter Kontrolle bekommen hätte und ob ich dazu etwas schreiben könnte. Das will ich versuchen, auch wenn ich natürlich nicht behaupten kann, dass ich komplett frei bin und jegliche Rückfälle ausgeschlossen sind.

Mein halbes Leben habe ich bereits mit Essstörungen verbracht. Ich möchte ein bisschen etwas über meine Beziehung zum Essen schreiben - wie es vorher war und wie es jetzt ist. Vorher hatte ich ein ganz gestörtes Verhältnis zum Essen. Ich hatte schreckliche Angst vor allem, was irgendwie Kalorien hatte. Wirklich alles. Egal ob wir hier von 20 oder 500 Kalorien sprechen, ich hatte immer furchtbare Angst und Angstzustände, wenn Nahrung in meinem Magen war. Ich hatte dadurch das Gefühl, schmutzig zu sein. Ich war dann wie gelähmt, weil ich so große Angst hatte. Wenn etwas in meinem Magen war, fühlte ich mich schmutzig und das hat mich an ein Trauma in meiner Kindheit erinnert.
Wenn ich gegessen habe, musste ich Stunden trainieren, um die Kalorien wieder verschwinden zu lassen. Um mich verschwinden zu lassen.
Dann habe ich irgendwann herausgefunden, dass ich mich übergeben kann. Mich hat das Gefühl sehr beruhigt, dass ich das kontrollieren kann und somit auch die Gefühle kontrollieren kann. Ich konnte den Schmutz aus mir entfernen. Wenn ich mich übergeben habe, war ich wieder rein. Und das wurde zu einer Besessenheit und Sucht. Ich hatte viele gestörte Gedanken über meinen Körper und meine Nahrung.
Ich hatte und habe das Gefühl, dass ich etwas entweder gar nicht oder ganz machen muss. 0% oder 100%. Wenn ich trainiere, trainiere ich entweder gar nicht oder ständig. Wenn ich esse, esse ich entweder gar nicht oder alles und lasse die Bulimie übernehmen.
Das war wirklich krankhaft.
Ich habe Jahre gebraucht um herauszufinden, wie ich meine Beziehung zum Essen normalisieren kann, wie ich die Bulimie unter Kontrolle bekommen kann oder wie ich meine Besessenheiten verändern kann. Es war immer alles oder nichts, alles andere hat große Angstzustände ausgelöst. Ich bin abgehauen und habe alles versucht, damit ich mich nicht mit den Besessenheiten auseinandersetzen muss. Aber dadurch kam es auch weiterhin zu negativen Gefühlen. Egal, was ich gemacht habe, alles war irgendwie falsch und hat Panik ausgelöst.
Was ist dann passiert?

Heute bin ich an einem Punkt, wo ich mich nicht mehr übergeben darf oder kann. Mein Körper ist so schwach und hat viel mitgemacht. Meine Selbstverletzung, über 50 Behandlungen, Operationen. Ich hatte keine Wahl. Mein Magen kann das Übergeben nicht mehr mitmachen. Er hält das nicht mehr aus. Ich musste aufhören, mich zu übergeben, um die fatalen Konsequenzen zu vermeiden.
Also habe ich angefangen, mehrere kleine Mahlzeiten am Tag zu essen. Das war psychisch unglaublich furchtbar. Aber ich hab mir vor jeder Mahlzeit gesagt "mein Körper braucht das, um zu überleben". Ich musste es tun, ich hatte keine Wahl. Die Mahlzeiten waren anfangs schwierig, aber jetzt geht es leichter. Man muss sich aussetzen und durchhalten. Nach Jahren des Kampfes gegen das Essen bin ich nun stark genug um mich um mich selbst zu kümmern. Kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt machen es einfacher. Mein Körper bekommt, was er braucht. Zusätzlich erlaube ich mir an einem Tag auch Süßigkeiten.
Ich musste irgendwas finden, was für mich funktioniert. Auch wenn der Gedanke schwierig ist, dass ich Nahrung in meinem Magen habe - ich weiß, dass mein Körper das braucht.
Es ist eine Erleichterung, der Bulimie nicht nachzugeben. In meiner Situation hatte ich keine andere Wahl und es ist traurig, dass es erst so weit kommen musste. Aber die Freiheit, die man dann fühlt, motiviert ungemein.

Sonntag, 20. September 2015

Schlechte Tage

Jeder hat gute und schlechte Tage, das gehört zum Leben. Heute ist ein schlechter Tag. Ich weiß, dass Stimmungsschwankungen normal sind und dass es sich auch wieder verändert, aber an so schlechten Tagen ist die Welt nicht rosarot, sondern ein schwarzes Bild mit Angst, Depressionen, Traurigkeit, Müdigkeit, Hoffnungslosigkeit mit der großen Frage, ob ich sterbe oder überlebe. Wofür lebe ich? Werde ich jemals gesund? Warum? Warum das alles?
Das Schwierigste ist wohl, dass egal wie sehr andere versuchen mir zu helfen, mich zu motivieren, mich zu unterstützen - es ist wie weggeblasen in solchen Momentan. Ich bin allein. Allein in meinem Körper, in dem ein Krieg herrscht. Keiner kann diesen Krieg nachvollziehen.
Ich habs so satt. Aber was macht man dann? Ich muss aushalten. Bis es besser wird.

Samstag, 19. September 2015

Toller Samstag!

Ich hatte heute einen richtig tollen Tag!
Zuerst konnte ich richtig ausschlafen und bin dann noch ein bisschen im Bett liegen geblieben. Nach ein paar Stunden haben mich meine Mutter und mein Vater abgeholt und wir sind in die Stadt gefahren, in ein Einkaufszentrum. Wir haben uns Kaffee und Cola Light gegönnt (ich bin von dem Zeugs abhängig) und ein paar Süßigkeiten gekauft. Ich habe mir auch welche gegönnt, denn heute ist Samstag und so schreibt es das Gesetz vor. Hehe. Danach waren wir in meiner Wohnung und haben meine Klamotten aussortiert - Winter- und Herbstklamotten kamen rein, Sommerklamotten kamen raus, der Herbst ist definitiv da. Abends haben wir Pizza und Salat gemacht und dann sind sie auch wieder gefahren. Jetzt verbringe ich den Abend noch ein wenig ruhig.
Es war jedenfalls ein toller Tag und ich wünsche euch ein schönes Wochenende!

Freitag, 18. September 2015

die Höhen und Tiefen

Ich bin jetzt endlich wieder in meiner Wohnung an der Klinik - da, wo ich hingehöre. Hier bleibe ich, bis ich meine nächste Therapie antrete. Es ist schön, wieder hier zu sein. Ich war diesmal sehr ehrlich und habe gesagt, was ich brauche und was ich für wichtig erachte. Am wichtigsten ist es wohl, dass ich auf dem richtigen Weg bleibe und direkt um Hilfe bitten, wenn ich glaube, dass etwas passieren könnte. Ich versuche alles, um nicht in destruktive Verhaltensweisen zu fallen. Das betrifft auch die Bulimie, denn ich weiß, dass dadurch alles außer Kontrolle gerät und ich schließlich dissoziiere und mich dabei stark selbstverletze. Ich hab es jetzt einen Monat lang geschafft, von der Bulimie wegzubleiben. Darauf bin ich stolz.
Jeden Abend, wenn ich ins Bett gehen kann und nicht der Bulimie nachgegeben habe, fühle ich mich stark. Jeder Tag ist ein Sieg für mich. In den letzten Monaten habe ich es nicht geschafft, eine Woche clean zu sein, und jetzt ist es schon ein Monat.
Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie ich mich auf den Tag freue, an dem ich gesünder und gesünder werde. Es ist schwierig, immer motiviert zu bleiben. Aber ich denke darüber nach, was ich wirklich mit meinem Leben machen will, und das macht mich stark. Dann wird der Kämpfer in mir geweckt.
Es ist eine spannende Zeit, die vor mir liegt. Und ich habe richtig große Angst davor. Aber das ist nur normal.

Dienstag, 15. September 2015

Jetzt ist mal Schluss!

Nach einem Monat in der O-Klinik und dem dazugehörigen Krankenhaus bin ich endlich wieder in meiner Wohnung an der anderen Klinik. Ich bin sehr froh darüber. Mit dem diensthabenden Arzt hatte ich ein gutes Gespräch und wir haben über viele Probleme gesprochen, die ich angehen muss, um mich auf meine nächste Therapie vorzubereiten.
Es ist wichtig, dass ich weiterhin Fortschritte mit meiner Essstörung mache. Ich habe mich seit einem Monat nicht übergeben und habe die Bulimie unter Kontrolle. Es ist so wunderbar, all das hinter sich zu lassen. Die ganzen Schamgefühle, der ganze Ekel, die ganze Kraft, die das immer kostet, das ganze Geld und die ganze Zeit, die im Abfluss landet. Ich habe das Gefühl, dass ich mich aus einem Gefängnis befreit habe. Außerdem ist die Bulimie einer der Auslöser für meine starke Selbstverletzung.
Und das ist ein weiteres Thema. Die Selbstverletzung muss aufhören. Die Ärzte haben es mir deutlich zu verstehen gegeben, dass sie mir nicht jedes Mal helfen können und dass es auch gut sein kann, dass ich beim nächsten Mal daran sterbe. Deshalb haben wir besprochen, dass ich sofort um Hilfe bitte, wenn ich merke, dass ich gegen eine Wand laufe.

Dieses Mal war es mir total peinlich und unangenehm, weil es so schmerzhaft war. Ich habe einige Tage nur geweint - vor Schmerzen, die ich nicht meinem schlimmsten Feind wünschen würde. Ich konnte vor Schmerzen nicht atmen und mit Schmerzmitteln konnten sie mich auch nicht vollpumpen. Und dann war da die ewige Frage - warum? Warum tu ich mir das an? Warum ende ich immer hier und leide? Warum, warum, warum. Werde ich jemals gesund oder sterbe ich bald? Warum?

Ich habe es überlebt und dafür bin ich dankbar. Aber ich bin noch sehr erschöpft. Mein Körper ist schwach und mein Magen sehr gereizt und anfällig. Mein Körper braucht mich jetzt - dass ich mich um mich kümmere und mir Ruhe gebe. Es reicht, jetzt ist mal Schluss. Ansonsten ist es das auf eine andere Weise.

Ich muss also alles geben. Mich mit Händen und Füßen wehren. Ich werde überleben und mein Leben zurück gewinnen. Das möchte ich. Und ich bin der Boss und bestimme über mein Leben.

Sonntag, 13. September 2015

Bumpy Road

Heute war ein ziemlich lustiger Tag, auch wenn das Wetter draußen nicht ganz so prickelnd ist. Ansonsten bin ich momentan in der O-Klinik. Vor einer Weile ist mal wieder einiges schief gelaufen, wenn man es so nennen will... Die Ärzte haben mich schon oft gewarnt "beim nächsten Mal hast du nicht so viel Glück" "du holst dir noch eine Infektion und stirbst daran"  "es ist nur eine Frage der Zeit, bis du deine inneren Organe komplett zerstörst" "wir können dir bald nicht mehr helfen. Wir hoffen, dass die nächste Therapie dir hilft, damit du nicht noch mehr Schaden an deinem Körper anrichtest"
Ich denke viel darüber nach und ich weiß auch, was ich meinem Körper da immer wieder an tue. Aber es ist nicht so einfach. Was kann ich tun, damit ich mich nicht umbringe, wenn ich nicht ich selbst bin? Das ist eine Herausforderung.
Ich muss mein Verhalten ändern, damit ich gar nicht erst dissoziiere. Ich muss die Ärzte ernst nehmen. Ich muss auf die nächste Therapie warten. Ich weiß, dass sie mir helfen können. Es wird anstrengend und nicht einfach werden, aber vielleicht hilft mir diese neue Klinik mit neuen Leuten und einer anderen Therapie. Ich glaube fest daran.