Sonntag, 26. Juni 2016

Echte Emotionen

Es ist schön, sich abends mit einem echten Lächeln ins Bett zu legen. Ein frisches, echtes Lächeln. Mein Lächeln. Ein guter Mix von guten Gefühlen. Freude, Liebe, Standhaftigkeit. Das gute Gefühl, heute gelebt zu haben. Gelebt, nicht überlebt. Das ist ein großer Unterschied. Dieses Wochenende habe ich gelernt, dass es viele verschiedene Gefühle gibt, die man am Tag verspüren kann. Und jetzt wage ich es auch, diese Gefühle zu spüren. Ich würde sagen, dass ich mich dadurch lebendig fühle. Ich habe dieses Wochenende meine Bewältigungsstrategien mitgenommen und auch benutzt. Denn auch wenn ich gute und schlechte Emotionen verspüren kann, machen sie mir noch richtig große Angst. Aber es ist auch gut, sich lebendig zu fühlen. Das Leben ohne Gefühle war sehr einsam. Unendlich traurig und einsam. Ich bin so froh, dass ich mich dazu entschieden habe, mein Leben zurück zu erobern. Das ist eine sehr schwierige und harte Aufgabe. Aber ich möchte Gefühle erleben und Schmerzen und Freude spüren. Und ich bin diejenige, die dafür verantwortlich ist. Ich kann mich befreien. Heute Abend kann ich mich mit einem Lächeln ins Bett legen. An diesem Wochenende hatte ich viele Siege. Morgen geht es weiter. Ich packe das, ich muss das packen.

Samstag, 25. Juni 2016

Entscheidungen

"Das Leben ist grausam und schmerzhaft, und das wird es auch immer sein, also kannst du auch direkt lernen, damit umzugehen." Sowas wird uns in der Klinik öfters gesagt. Ich bin jetzt seit gut zwei Monaten hier und bin weit gekommen. Mein ganzes Leben bin ich vor den Gefühlen weggelaufen und in den letzten zwei Monaten habe ich genau das Gegenteil gemacht. In bisherigen Therapien wurde die Verantwortung für mich übernommen, in der aktuellen Therapie muss ich selber Verantwortung übernehmen. Das war und ist gar nicht so einfach, aber ich gewöhne mich dran. Normalerweise würde ich Tabletten nehmen, um dem Schmerz zu entfliehen, aber hier ist das nicht so. Keine Medikamente, damit wir auch alle Schmerzen spüren. Wir können weglaufen, wenn wir das möchten. Keiner hält uns davon ab. Aber wir werden ständig daran erinnert, dass es unsere Entscheidung ist. Wir können die Entscheidung treffen, nicht davonzulaufen und den Schmerz und die Gefühle einfach mal auszuhalten. Nichts damit zu machen. Sie akzeptieren. Das Leben wird immer grausam und schwierig sein, aber wir können nicht ewig davonlaufen. Das Wort "Entscheidung" hören wir bestimmt 1000x am Tag. Aber wir haben eine Entscheidung. Mein ganzes Leben war ich mir darüber nicht so sicher, aber hier lernen wir, die Wahrheit zu sehen. Hier lerne ich zu akzeptieren, dass ich allein die schlechten Entscheidungen bisher getroffen habe. Entscheidungen, die starke Auswirkungen auf mich und meine Familie hatten. Entscheidungen, die so schmerzhaft waren, dass es mir unangenehm ist. Es tut mir weh, darüber nachzudenken, dass ich die Entscheidungen getroffen habe. Ja, ich war krank, aber ich habe dennoch die Entscheidungen getroffen. Die Vergangenheit kann ich nicht mehr ändern, aber ich kann heute und morgen etwas verändern.
Entscheidungen zu treffen ist gar nicht so einfach. Zumindest, wenn es große Entscheidungen sind. Mich dafür zu entscheiden, gegen meine Krankheit und meine Zwänge vorzugehen, ruft große Angst hervor. Diese Angst ist nur schwer zu ertragen, der ganze Körper tut dann weh. Normalerweise haue ich dann ab, was bedeutet, dass ich mich meinen Gefühlen nicht aussetze. Was wiederum bedeutet, dass ich viele unterdrückte Gefühle in mir habe und wie eine tickende Zeitbombe bin, die irgendwann explodiert. Es ist sehr kompliziert. Hm.. so langsam fange ich an zu verstehen, warum ich mit den Gefühlen nie klar kam. Warum ich immer abgehauen bin. Durch mein Verhalten bin ich auch nicht so weit entwickelt wie andere in meinem Alter. Ich fühle mich nicht wie eine Person. Ich habe kein Selbstbewusstsein.
Es ist schwierig in der Klinik. Ich bin so erschöpft und hab das Gefühl, als würde ich jeden Moment aufgeben. Der Drang, einfach abzuhauen und ein wenig Frieden zu haben, ist groß. Aber wenn ich das tue, gehe ich nur rückwärts. Ich muss da durch. Bevor ich in die Klinik gegangen bin, habe ich die Entsscheidung getroffen, dass ich das aushalte. Egal, wie schwierig es wird. Ich möchte mein Leben leben, ich möchte mein Leben zurück. Das Wochenende bin ich jetzt Zuhause und die kleine Auszeit ist gut. Ich brauchte ein wenig Motivation und Stärke. Es ist schön, bei meiner Familie zu sein und Kraft zu tanken. Zuhause sein ist schön. Ich fühle mich dort sicher.

Donnerstag, 16. Juni 2016

Ich verliere oft die Kontrolle, bin verwirrt, müde und verliere die Motivation. Alles verändert sich so schnell so stark. Es ist schwierig, dem Programm zu folgen, wenn man plötzlich irgendwelche Halluzinationen hat, paranoid ist, die Angst einen lähmt, man sich erbricht und sich nicht in der Realität befindet. Zwei Stunden später bin ich total sozial, hyperaktiv, voller Energie und gebe vor, glücklich zu sein. Dann habe ich das Gefühl, dass alles viel zu langsam von statten geht. Ich weiß, dass die Behandlung auch darin besteht, dass ich selbstbewusster werde und mich auf unbekannte Situationen einstellen kann. Dass ich lerne, damit umzugehen. Sie sprechen über innere Aussetzung. Viele denken an äußerliche Situationen. Es ist schwierig, das alles zu verstehen. Irgendwie unmöglich es zu erklären. Ich versuche, wieder öfters zu schreiben. Sorry, wenn das alles ein wenig wirr und unverständlich klingt.

Freitag, 10. Juni 2016

Masken

Ich lache oder lächle oft, wenn ich eigentlich Angst habe, Schmerzen verspüre oder sonstige negativen Emotionen aufkommen. Das ist einfacher. Ich lache oft, auch wenn ich eigentlich weinen sollte. Das hab ich schon immer gemacht, weil ich kein Vertrauen darin habe, dass die Welt meine Gefühle akzeptiert. Nach außen wirke ich okay. Ich glaube, ich will mich damit auch ein wenig selbst täuschen. Ich habe mich lange gefragt, was passiert, wenn ich die Maske runternehme und zeige, dass ich verletzlich bin. Ich dachte immer, dass ich lächeln und funktionieren muss. So lange, bis die Maske zu meinem Gesicht wurde. Während der Therapie habe ich viele Dinge entdeckt. Hinter dieser Maske und in meinem Kopf  sitzt ein Kind. Ein Kind, das der Meinung ist, dass alles in Ordnung ist, so lange man lächelt. Ein Kind, das der Meinung ist, dass es keinen Platz in dieser Welt hat. Ein Kind, das alle anderen vor dem beschützt, was in ihm drin ist. Ein Kind, das nie das Gegenteil gesagt hat und die Bedürfnisse der anderen vor seine eigenen gestellt hat. Ein Kind, das nie seine Meinung gesagt hat und nicht Stopp gesagt hat, wenn andere zu weit gegangen sind. Ein Kind voller Schmerzen, das nicht weiß, wie es damit umzugehen hat. Körperlich leidet das Kind so stark, dass es schreien würde, aber das kann es nicht. Es kommt nichts raus. Und was, wenn es doch rauskommt? Kommt dann alles wie ein Wasserfall? Wird das Kind explodieren? Wird es seine Liebsten verlieren, weil diese sich dann abwenden? Wird es überhaupt aufhören?
Ich versuche das Kind rauszulassen, wenn ich auf Reisen ins Innere gehe. Ich muss sagen, dass es jedes Mal schrecklich ist. Es ist, als würde man eine Maschine anstellen, die kaputt ist. Oder wie im Meer auf offener See zu schwimmen, während es stürmt und man ständig nach unten gezogen wird. Aber man muss kämpfen. Ich habe das Gefühl, dass ich nie das Land erreichen werde. Manchmal bin ich so müde, dass ich nicht weiß, wo oben und unten ist. Manchmal ist es so schmerzhaft, dass ich nicht in dieser Welt sein kann. Ich versuche die Maske abzunehmen. Aber wenn ich das tue, suche ich nach einer neuen Art von Schutz.
Diese Reise ist so lang und mühselig. Und manchmal ist es schwierig, sich an sein Ziel zu erinnern. Ich sehne mich nach dem Tag, an dem ich das Kind in mir und mich selbst befreien kann. Vielen kämpfen für den Frieden, in ganz verschiedenen Arten. Ich gehöre dazu.