Donnerstag, 29. Mai 2014

Ich bin Ich

Manchmal habe ich Angst vor den Kräften, die in mir existieren. Wenn ich daran denke, was ich wegen denen schon gemacht habe, bekomme ich Angst. Manche um mich herum sagen vielleicht sowas wie "Sie hat den Boden wieder erkannt". Ich erwarte nicht, dass andere verstehen. Ich wusste, welche Kämpfe ich jeden Tag austragen musste und ich war überzeugt davon, ich würde verlieren, würde irgendwann sterben. Ich denke an all das, was mein Körper aushalten musste. Ich bin sehr überrascht, dass der das ausgehalten hat. Meine Mutter sagte zu mir, dass sie keinen Zweifel daran hätte, dass 'es' eines Tages passieren würde, wenn nicht jemand die Ernsthaftigkeit erkennen würde und  helfen würde - die Frage war eher, wann es passieren würde. Was ich meinem Körper angetan habe, ist nicht menschlich. Man mag nicht glauben, dass man sich soetwas überhaupt zufügen kann. Mehrere Monate wurde ich in der Klinik behandelt und ans Bett gefesselt, weil es sicherer war.
Wie lange würde ich dort verrotten? Bis irgendjemand etwas tat? Ja, ich verrottete. In mir drin rottete ich und wurde kränker. Ich war verzweifelt und hatte große Angst. So oft festgegurtet zu sein, das hat was mit mir gemacht. Ich habe gefleht und gebetet, dass sie mich loslassen und mir die Chance geben, es besser zu machen. Aber das haben sie nicht. Ich wurde nach Hause entlassen. Dort machte es nichts aus, wenn ich mich selbstverletzte. Mir wurde gesagt, ich würde mich nur im Krankenhaus so stark verletzen und ich wäre völlig bei Bewusstsein und hätte die Kontrolle. Was dieser Arzt jedoch nicht bedachte, war, dass ich dissoziierte. Ich floh von der Realität, wenn die Situationen zu schmerzhaft waren, wenn die Gedanken und Traumata hochkamen. Dann musste ich den Schmerz körperlich auslassen. Aber sie meinten, dass ich die Kontrolle darüber hätte und deshalb bekam ich auch keine Behandlung. So standen wir da, meine Mutter und ich, ganz alleine. Es war fast wie ein Todesurteil, wenn ich nach Hause geschickt wurde. Ich habe mein bestes gegeben, aber es lag nicht in meiner Macht, ich hatte keine Kontrolle. Ich wusste, was ich lernen musste - Kontrolle gewinnen, und das machen wir jetzt. Aber damals, zuhause, ging das nicht. Ich lag einfach nur da, ich verschwand.

Ich bin froh, dass das vorbei ist und dass mein Fall richtig bearbeitet und behandelt wird. Dass ich die Hilfe bekomme, die ich brauche, um gesund zu werden. Die Anfälle werden mich wahrscheinlich immer begleiten, aber ich werde lernen, sie besser zu kontrollieren, damit ich mein Leben leben kann, ohne ständig Angst haben müssen, zu sterben. Ich werde nicht sterben. Ich will leben.
Ich sehe langsam, dass ich mein bestes gebe und das gut genug ist. Nach für nach werde ich gesünder. Ich werde die Person, die ich bin. Ich bin eine Person und das ist wichtig für mich. Ich war schon immer ein Mensch, aber jetzt fühle ich mich auch wie einer. Ich bin ich.

Montag, 26. Mai 2014

Shopping-Tag und Baby-Glück

Halli hallo.
Es läuft ganz gut soweit. Ich treffe die richtigen Entscheidungen und werde Tag für Tag besser. Ich kann das. Es war schwer, die bulimischen Verhaltensweisen zu durchbrechen, aber so ist das. Man muss fallen, um wieder aufstehen zu können. Ich musste einen Weg finden, durch den Tag zu kommen, ohne die Essstörung auszulösen. Und ich meine die Essstörung allein, weil ich noch immer mit Dissoziationen zu kämpfen habe.

Weil ich die letzten Tage so gut gearbeitet habe und stabil war, durfte ich ein paar mehr Freiheiten genießen. Ich durfte heute ein wenig Zeit außerhalb der Klinik verbringen, ich war shoppen und habe ein paar Klamotten für den Sommer gekauft. Der kommt ja so langsam aber sicher. Wir haben uns ein kleines Eis gekauft und die Sonne genossen.

Ich versuche mich darauf zu konzentrieren, was ich alles geschafft habe. Ich treffe auf alte Bekannte in der Klinik und wurde hier schon öfters wegen meiner Magersucht behandelt. Jemand meinte gestern zu mir "Du bist gesünder als du jemals warst und die Krankheit ist zugleich sehr stark" und das stimmt irgendwo. Und das sagt gleichzeitig, dass ich stark bin, weil die Krankheit stark ist. Es ist wichtig, dass ich weiterhin arbeite und Fortschritte mache, auch wenn ich gelangweilt, depressiv, wütend oder schlecht gelaunt bin. Die Anfälle können und werden weiterhin passieren, weil sie ein Abwehrmechanismus gegen den Schmerz sind, gegen schmerzhafte Erinnerungen oder Angst oder Gefühle oder sowas, deshalb schlägt es zu, wenn ich emotional sehr belastbar bin. Wenn ich dissoziiere, bin ich weit weg und alles um mich herum ist vernebelt. Ich kann keinen klaren Punkt festmachen oder etwas sagen, wo ich bin. Ich bin nicht anwesend und eine Gefahr für mich, weil die Stimmen so stark und dominant sind, dass ich selbst sehr schwach bin und nachgebe.

Ansonsten kommt mich bald eine Freundin besuchen und darauf freu ich mich schon. Ich hab sie schon lange nicht mehr gesehen.

Kommen wir zum Baby-Glück! Ich bin zum zweiten Mal Tante geworden. Das kleine Glück Fynn hat das Licht der Welt erblickt. Wir sind so stolz und froh, er ist Zucker. Ich habe ihn sogar einmal gehalten. Ich kann nicht in Worte fassen, wie niedlich er ist und wie stolz ich bin.

Samstag, 24. Mai 2014

Kontrolle erlangt

Heute habe ich die Kontrolle wiedererlangt und das fühlt sich wundervoll an. Wenn man es geschafft hat, fühlt man sich so gut und glücklich. Endlich, kann ich da nur sagen.

Es war ein sehr langer Tag. Ich habe zugestimmt, meine Mahlzeiten zu essen. Ich habe gegessen und war zufrieden, war davon überzeugt, das ganze Paket machen zu können, d.h. essen und es drinbehalten. Aber nein, nachdem ich gegessen hatte, war die Essstörung so laut und ich wollte mehr haben. Ich konnte nicht mehr essen, aber ich wusste auch, dass ich nicht mehr essen sollte. Ich habe dem Personal gesagt, dass ich nicht mehr essen darf und sie mir keine Möglichkeit dazu geben sollen, also hab ichs auch nicht getan. Nicht überfressen.
Nach dem Mittagessen bin ich eingeschlafen, weil ich so müde war.

Später hatte ich einen Anfall und habe dissoziiert, aber das Personal hat mir geholfen, dass ich wieder zurück komme und als das dann so war, habe ich mit ihnen geredet. Das hat sehr gut getan, ich konnte mir Luft verschaffen. Ich hab mich gut gefühlt.

Verdammt, ich muss mich beeilen, gleich ist Nachtruhe und ich muss ausm Internet raus.

Mein Punkt ist, dass ich heute gute Entscheidungen getroffen habe. Ich habe mich nicht übergeben und dadurch einen Zyklus durchbrochen. Darüber hinaus hab ich ein Stück Schokolade gegessen. Es ist ein tolles Gefühl, nicht über der Kloschüssel zu hängen und Pizza für Pizza zu erbrechen.

Ich bin so glücklich, dass ich heute die Kontrolle erlangen konnte. So kann es weitergehen.

Jetzt gleich kommt die Nachtwache, deshalb bin ich wieder weg!

Der Teufel auf meiner Schulter

Es ist Morgen, die Sonne ist aufgegangen, es ist hell draußen. Ich stehe auf, mein Magen knurrt, ich will essen, aber der Kopf möchte das nicht. Ambivalenz in meinen Gedanken.
Ich habe einen Ernährungsplan, an den ich mich halten muss. Er ist sehr strikt und mein Leben ist gefüllt von Gegensetzen. Alles oder nichts. Schwarz oder weiß. Ja oder nein. Offen oder geschlossen. Alles essen oder gar nichts essen. Irgendwie kann ich mich mit etwas dazwischen nicht anfreunden. Und das nervt mich. Ich glaube, dass ich besser mit meinen anorektischen und bulimischen Zügen klarkommen würde, wenn ich nicht das eine oder das andere wählen müsste, sondern eine Mitte finden könnte. Aber dann gibt es diese große Angst und ich kann nichts machen.

Der Teufel hat eine dunkle Stimme und diese verfolgt mich. Ich tanze in der Dunkelheit, aber kann den richtigen Weg nicht finden. Ich will in der Freiheit tanzen und niemals müde werden. Wo ist das Licht, das mein Herz erfüllen kann? Mein Herz ist nur gefüllt von Schmerz.
Die Stimme des Teufels flüstert, dass ich dreckig und schmutzig bin. Und alles, was ich will, ist hübsch und schön zu sein. Schön genug, um mich gut zu fühlen. Um Selbstbewusst zu sein.
Die Stimme des Teufels jagt mich durch die dunklen Gassen. Er schleicht sich an und schreit mich an, kneift mich, sobald ich einen Fehler mache. Warum existiere ich in dieser Welt? Wann kann ich in der Sonne leben?
Der Himmel über mir ist gefüllt von Sternen. Ich sehe nach oben, aber es macht mich nur schwindelig. Ich kann den Himmel nicht erkennen. Die Krankheit holt mich ein. Ich finde den richtigen Weg nicht.
Das Mädchen hat einen Traum der Freiheit, aber sie ist in ihrem einen Körper gefangen. Es ist nie genug, sie kann nie aufhören.
Gefangen in meinem eigenen Körper mit dem Teufel auf der Schulter. Müde, erschöpft und depressiv. Kann... kann nicht.

Essstörungen sind scheiße. Sie nehmen dir alles. Sie rauben dir Zeit, Kraft, Energie, Konzentration, Körper und Seele, und dich selbst. Irgendwann verschwindest du.
Du bist weg, verschwunden, weil du nicht mehr deinen Körper kontrollierst. Du versuchst zu fliegen, aber deine Flügel sind gebrochen. Die Füße sind müde und gefesselt, die Hände werden kontrolliert. Du hängst fest, kannst nichts machen, kannst nicht leben. Du versuchst, der Boss zu sein, aber du scheiterst, weil irgendwas in dir stärker ist als du. Du versuchst es, Tag für Tag, Jahr für Jahr, ein ganzes Leben lang.
Die Welt um dich herum wird bedeutungslos. Wichtig allein ist das, was mit deinem Körper passiert.
Kontrolle ist wichtig. Du verlierst alles in deinem Leben, weil du dich für die Krankheit entscheidest. Es ist die einzige Möglichkeit, die sich dir auftut, du kannst nur diese Stimme hören. Sie schreit dich an, wenn du nichts hören willst, und flüstert dir zu, wenn du verletzt bist. Du bist gefangen.

Ich bin gefangen.

Freitag, 23. Mai 2014

Essstörung

Wie läuft es mit dem Essen und der Essstörung?
Es ist Chaos, es ist nicht einfach. Ich habe zu kämpfen. Mit dem essen, es in mir zu behalten und mit Fressattacken. Es ist schwierig, dass manche hier in der Klinik sehr strikt sind und penibel auf das Essen achten, andere denken kaum dran und denken, dass ich kein Problem mehr damit hätte.

Jeden Tag stehe ich mit dem starken Willen auf, dem Essensplan zu folgen, da ich diesen ja aufgeschrieben und unterzeichnet habe. Nach dem Mittag- und Abendessen habe ich aber starke Gefühle und möchte mich über-fressen und übergeben, während die Magersucht in meinem Kopf schreit. Vor ein paar Wochen hatte ich kein Problem damit, z.B. zwei Knäckebrote mit Belag zu essen, aber jetzt sind die Stimmen in meinem Kopf so stark, während ich nur kaue, und ich bin verzweifelt. Ich höre, dass ich dreckig bin, dass ich wie ein Ballon aufgehe, dass ich ein schlechter Mensch bin, der unglaublich schwach ist. Oft, wenn ich esse, bin ich danach noch hungrig und bettle und flehe, dass ich noch mehr bekomme, und wer kann mir das schon verweigern? Für das Personal hier ist das unglaublich schwierig.. Ich bin fertig, die Hölle beginnt... Es ist schwierig für mich aufzuhören, bevor nicht alles weg ist.
Ich versuche dem Personal zu sagen, dass ich nicht mehr bekommen darf, als auf meinem Plan steht, aber wenn ich so verzweifelt bin und die Krankheit mich irgendwo überzeugen will, dann schaffe ich es auch, das Personal zu überzeugen, immer und immer wieder. Aber die Schuld liegt bei mir. Es ist meine Schuld. Ich bin diejenige, die die Kontrolle verliert.

Ich hasse, dass es so ist, weil ich es so sehr versuche. Aber ich muss mir auch eingestehen, dass die Essstörung irgendwo immer ausgelöst wird. Seit ich die andere Klinik verlassen habe, hab ich ich fast jeden Tag übergeben. Die Emotionen gerieten außer Kontrolle. Ich vermisse die bekannte Umgebung, der ich mich ausgesetzt habe, weil ich wusste, dass ich dort Hilfe bekomme. Ich vermisse die geöffneten Türen, die Offenheit. Ich kann mit verschlossenen Türen nicht umgehen.

Ich wünschte, ich könnte mit dem Essen besser umgehen. Ich versuche, so gut es geht, aber die Kraft in mir ist so stark und ich bin so verwirrt und habe so große Angst, dass ich einfach kurzen Prozess mache. Mich dem Essen bereinigen, mich der Emotionen bereinigen, mich der Angst bereinigen.

Aber danach, danach kommt die Hölle. Dann kommt die Scham, die Schuldgefühle, das schlechte Gewissen. Die Stimmen, die mir sagen, dass ich schmutzig bin,w eil ich all die Nahrung in meinen Mund geführt habe. Die Stimmen, die sagen, dass ich nichts wert bin. Das ist schwach und schlecht bin, dass mich keiner liebt.

Wenn ich das hier schreibe, fühlt es sich irgendwo unlogisch an. Warum sollte sowas natürliches wie die Nahrungsaufnahme mich so fühlen lassen?

Ich glaube, das hat was mit mir zu tun, als ich 11 Jahre alt war und meine Probleme und Gefühle mit Essen und Hungern gelöst habe, um dem Schmerz zu entfliehen. Und nun, zehn Jahre später, kommen die Pfunde wieder auf meinen Körper, also bin ich schmutzig, kaputt, hässlich und widerlich. So fühlt es sich in meinem Körper an. Ich schäme mich so. Irgendwas in mir drin zerstört mich, raubt mir jegliche Kontrolle. Die Krankheit hat mich gefüllt und kontrolliert und das seit zehn Jahren.
Aber warum kann ich nicht einfach aufhören? Was passiert, wenn ich einfach aufhöre? Ich habe das Gefühl, dass die Wunde in mir so groß ist, dass ich sterben werde. Dass ich vor Angst sterben werde.

Aber ich weiß auch, dass Emotionen und Essen verschiedene Dinge sind. Ich sterbe nicht, nur weil ich Angst habe oder Gefühle erlebe. Ich sterbe höchstens daran, wie ich mit der Angst umgehe. Es liegt in meinen Händen (wortwörtlich). So lange ich einfach nur atme und die Gefühle aushalte, werde ich nicht sterben.

Wovor habe ich Angst? Ich habe Angst, dass ich so dreckig sein werde, dass mich keiner liebt, mich keiner umarmt. Ich brauche Umarmungen, ich brauche Zuwendung und Liebe. Aber wenn ich dreckig und schmutzig bin, dann denke ich "wer will so jemand schwachen schon umarmen oder lieb haben".

So denke ich und die Stimmen bestärken mich darin. Die Krankheit schreit und ich glaube ihr.

Starre Regeln und Begrenzungen bezüglich des Essens hat mir bisher geholfen. Während ich nach und nach mehr Verantwortung bekomme. Ich brauche Hilfe, Unterstützung und Begleitung. Die habe ich um mich herum, aber es ist schwierig, diese anzunehmen, wenn in mir drin so laute Stimmen sind, die das Gegenteil von dem sagen, was ich möchte....

Es ist schwierig und traurig...

Donnerstag, 22. Mai 2014

Epilepsie oder psychogener Anfall - was ist das?

Der Körper macht dicht
Die Person verlässt langsam den Körper
Die Welt wird verschwommen und unbekannt
Der Körper zittert
Das Herz schlägt schneller, schneller, schneller... bubumm, bubumm, bubumm
Das Herz ist voller Angst und Verzweiflung
Die Person verschwindet
Die Außenwelt verschwindet
Eine neue Welt beginnt
Eine Welt, die in meinem Verstand weiterlebt
Das Mädchen schreit
Chaos
Die Person verschwindet
Der Körper wird von irgendwas anderem regiert
Jegliche Kontrolle ist fort
Die Person liegt auf dem Boden und zittert, verdreht sich
Der Körper ist angespannt, jeder Muskel zittert
Die Person ist gelähmt
Ausatmen... es ist vorbei
Ein Ausatmen als Zeichen der Erleichterung
Die Welt ist noch immer schummrig und komisch
Das Herz schlägt wieder schneller
Die Person verschwindet wieder
Der Körper verkrampft sich, zittert
Halte durch
Anfall für Anfall
Plötzlich wird alles schwarz und der Körper wird wieder schlaff
Verschwitzt, heiß und erschöpft
Die Person schläft, lange
Die Person erholt sich

Die Person wacht auf und merkt, dass es vorbei ist...
Davor war mein Körper voller Angst, die inneren Wunden waren offen und schmerzten. Die Stimmen waren laut und haben mich runtergerissen. "Du bist es nicht wert" "Du bist schmutzig" "Du bist wertlos" "Keiner liebt dich"

Ich verschwinde und dissoziiere. Die Person verschwindet. Was ist das, dass es so schwierig und schrecklich ist, dass es in meinem Leben nicht existieren kann. Die Angst wird zu groß, die Gefühle zu brutal. Die Welt ist nicht sicher. Ich kann nicht atmen und laufe davon.

Diese Art von Dissoziation ist schwierig und lässt mich verzweifeln. Ich möchte so sehr, dass die Angst verschwindet. Warum bin ich destruktiv. Ich verliere die Kontrolle über meinen Körper und stattdessen übernimmt irgendwas anderes diese Kontrolle. Ich möchte mich nicht verletzen. Ich möchte ich sein und über mich bestimmen können, Herr meiner Lage sein.

Wodurch wird das ausgelöst? Es passiert fast täglich. Ich werde so verzweifelt und habe keinerlei Kontrolle. Es ist schrecklich, so einen Kontrollverlust zu erfahren. Das macht mir Angst.

Aber ich arbeite daran. Die Ärzte hier wissen, was zu tun ist. Sie bringen mich wieder zurück in die Realität. Sie sprechen gegen mich an und versichern mir, dass ich zurück kann. Sie sprechen zu mir, nicht zu den Stimmen. Und irgendwie komme ich immer wieder zurück, zum Glück. Die Welt fühlt sich immer so unbekannt und gruselig an. Aber daran versuchen wir mit ein paar Tricks zu arbeiten. Indem ich mich auf Geschmäcker konzentriere (Z.B. von Kaugummi), indem ich mich auf die Farbe meines T-Shirts konzentriere. Indem ich ganz genau auf Geräusche höre. Wenn mir jemand die Hand gibt und ich die Berührung spüren kann. Dann komme ich langsam zurück in diese Welt. Sie ist sicher, es ist vorbei. Die Person ist zurück.

Was ich da beschrieben habe, nennt sich "psychogener Krampfanfall". Es ist wie ein Abwehrmechanismus gegen meine Angst, eine Art Dissoziation. Aber bei mir läuft beides ziemlich gleichzeitig ab - Anfall und Dissoziation. Die Krampfanfälle kommen, wenn die Angst zu stark wird und der Kopf und Körper damit nicht umgehen kann. Er schaltet somit aus, kapselt sich ab. Das ist ähnlich wie ein epileptischer Anfall, nur, dass es hauptsächlich vom Gehirn und den Emotionen ausgelöst wird. Es ist eine Reaktion auf Angst und Stress. Diese Anfälle kommen ganz plötzlich und können lange andauern. In der letzten Zeit waren meine Anfälle so 30 - 90 Minuten lang. Davor hatte ich längere, aber jetzt ist es eher so, dass ich viele, kurze Anfälle erleide. Ich bin bewusstlos und weit weg. Diese Anfälle sind nicht gefährlich, aber man muss aufpassen, dass ich nicht hinfalle oder mir irgendwo den Kopf anschlage. Weil ich so oft am Bauch operiert wurde, muss aber auch darauf aufgepasst werden, dass ich mich nicht zu sehr überdehne und meinen Bauch strecke (quasi so, wie wenn man eine Brücke macht). Das kann gefährlich sein, weil innere Wunden ausgelöst werden können. Deshalb versuchen ich die Ärzte auf dem Boden zu halten. Das kann schwierig sein, weil der Körper sich verkrampft und ganz steif wird.

Mit 17 hatte ich meinen ersten Anfall. Ich lag in meinem Bett in der Klinik und sollte einen Schlauch für die Zwangsernährung bekommen. Über den ganzen Tag lang habe ich ein Zwicken in meinem Körper gespült. Plötzlich saß ich ganz gerade im Bett und meine Augen haben sich verdreht, ich hatte Schaum im Mund, Krämpfe und weitere Details muss ich nicht erwähnen. Danach wurde ich an einen Neurologen überwiesen, mein Gehirn wurde untersucht und und und.

Ich wurde mit Epilepsie diagnostiziert und bekam Tabletten verschrieben. Die Anfälle hielten jedoch an und es bildeten sich neue Arten von Anfällen, deshalb wurde ich wieder untersucht. Sie haben mich im Krankenhaus behalten und ich hatte drei Tage lang so Elektroden am Kopf. Diese haben mithilfe von Licht und Geräuschen Anfälle ausgelöst und innerhalb von drei Tagen hatte ich zwei verschiedene Arten von Anfällen. Epileptische Anfälle und psychogene Krampfanfälle. Die psychogenen Anfälle können nicht mit Medikamenten behandelt werden, aber gegen die epileptischen Anfälle habe ich Orfiril verschrieben bekommen und die helfen mir gut. Psychogene Krampfanfälle können auch behandelt werden, aber dafür benötigt es intensiver Konfrontationstherapie und Therapie gegen die Angst. Derzeit habe ich nur diese Art von Anfällen, aber dafür fast täglich.

Ich hoffe, dass ich irgendwann damit abschließen kann, damit ich, unter anderem, auch Auto fahren darf... Ich hoffe, dass man damit ein wenig verstehen konnte, was psychogene Anfälle sind und was der Unterschied zu Epilepsie ist...

Dienstag, 20. Mai 2014

Happy End

Die Sonne scheint, der Sommer kommt, die Eichhörnchen klettern über die Bäume, Freunde und Familie grillen und essen draußen. Alles erweckt zum Leben.

Mein Leben ist derzeit nicht so. Ich bin in der Klinik und darf nicht raus, stehe unter "Überwachung". Ich hatte heute ein Gespräch mit den Leitern in der Klinik und die hatten keine gute Nachrichten für mich. Die Regeln müssen weiterhin so strikt sein und alles muss beim alten bleiben, weil ich sehr labil und ungewiss handle, wenn ich dissoziiere. Tatsächlich sieht es so aus, dass ich 23 Stunden am Tag "normal" bin und dann eine Stunde habe, wo ich "nicht normal" bin. Die Umstellung ist einfach sehr stark, weil die Regeln hier ganz anders sind als in der anderen Klinik. Ich versuche, das beste daraus zu machen und mich umzugewöhnen und mich daran zu erinnern, dass ich hier sicher bin und es nur zu meinem besten ist.

In der letzten Zeit gab es hier leider ein paar Suizide und Suizidversuche und da wird natürlich nachgefragt, wo der Fehler lag. Ob sie nicht gut genug "bewacht" wurden oder ob sie von einer anderen Klinik kamen und die Informationen nicht korrekt weitergeleitet wurden. Oder dass sie lediglich die falsche Therapie erhalten haben. Es ist schwierig zu wissen, dass manche so sterben mussten. Ich glaube, dass sie eigentlich leben wollten, aber dass es manchmal so schwierig war, dass sie keine Hoffnung sahen. Sie waren sehr krank und wollten auch irgendwo leben, aber das kann man nicht immer sehen.
Ich persönlich möchte nicht sterben. Im Gegenteil - ich möchte leben. Aber ich bin auch ehrlich und sage, dass ich es schon oft so schwer hatte, dass ich keinen anderen Ausweg gesehen habe und versucht habe, mich umzubringen. Aber ich wurde immer gerettet und dafür bin ich jetzt sehr dankbar.

Ich finde es schwierig, mein eigenes Leid zu sehen, aber manchmal nichts dagegen machen zu können. So ist das, wenn ich dissoziiere. Es ist jetzt zum Glück nicht mehr so, aber ich hatte eine Phase in meinem Leben, wo ich mich, während ich dissoziiert habe, so stark selbstverletzt habe, dass ich 42x genäht und behandelt werden musste. Es ist ein Wunder, dass ich diese Behandlungen überlebt habe. Ich habe einen Körper aus Stahl, ich bin ein lebendes Wunder... so nennen sie mich manchmal. Aber ich will jetzt nett zu meinem Körper sein und mehr auf ihn Acht geben. Es ist der einzige Körper, den ich haben werde. Und den werde ich so formen, wie ich das will. Bald darf ich wieder Sport treiben, dann will ich Muskeln aufbauen, aber gleichzeitig ein gesundes Gewicht halten. Wegen meiner Verletzungen durfte ich jetzt ein Jahr nicht trainieren, aber seit zwei Monaten ist nichts mehr passiert und deshalb darf ich wohl bald wieder vorsichtig anfangen.
Ich will einen normalen Körper, der alles ganz normal ausüben kann. In diesen magersüchtigen Körper will ich nicht zurück, das ist keine Frage. Einen gesunden Körper zu haben ist sowohl körperlich als auch mental sehr wichtig. Ich schaffe mehr. Und kann auch mehr entscheiden. Wenn ich einen gesunden Körper habe und gut esse, kann ich Sport machen und meine mentale Gesundheit ist auch besser.
Wenn man von einer Essstörung gesund werden möchte, muss man seinen kranken Körper loslassen. Der magersüchtige Körper hat auch gleichzeitig magersüchtige Gedanken, Zwänge etc. Man kann nicht beides haben. Man kann nicht gesund sein, und trotzdem einen magersüchtigen Körper haben. Gesund werden bedeutet auch, zuzunehmen und ein gesundes Gewicht zu erreichen. Das ist für viele sehr schwierig. Sie fühlen sich in ihrem neuen Körper unwohl. In meinem Fall habe ich mich dreckig und unwohl gefühlt. Aber ich weiß jetzt, dass es nicht um meinen Körper, sondern um meine Gefühle geht. Und das hat lange gedauert, eh ich das verstanden habe. Ich muss mich akzeptieren und mich annehmen. Es ist okay, wenn mein BMI bei 20-21 liegt. Es ist nicht gefährlich und meine Krankheit lügt. Ich dachte, ich würde glücklich werden, wenn ich abnehme, aber mit jedem Kilo habe ich mich noch schlechter gefühlt. Ich war nie dünn genug. Der Körper konnte nicht mehr, war schwach und das Herz schlug nicht richtig. So lange du nicht auf deinen Körper acht gibst und ihn nicht pflegst, pflegt dein Körper dich auch nicht und versagt. Das ist ein wahrer Kampf und das Gehirn arbeitet nicht richtig, wenn der Körper so unterernährt ist. In meinem Fall musste mein BMI von 11 auf 17 getrieben werden, bevor ich groß mitarbeiten konnte. Pro Woche musste ich 700g zunehmen und wenn das Gewicht nicht hoch ging, wurde meine Nahrungsaufnahme direkt erhöht. Es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe, dass ich keinen Sport machen konnte und mich auch nicht übergeben durfte. Meine Kalorienaufnahme lag teilweise bei 4000 am Tag.
Diese Zeit war unglaublich anstrengend für mich. Die Krankheit hatte meinen Körper unter Kontrolle und ich lief auf Autopilot. Das Gewicht ging nicht hoch. Mein Kopf funktionierte nicht, ich konnte nicht klar denken, und mir wurde gesagt, wenn ich weiter Sport treiben würde und mich übergeben würde, würde das Herz bald aufhören zu schlagen. Also wurde mir das verboten und ich wurde ständig überwacht. Dann musste eine neue Art her, damit ich mich nicht dreckig fühle. Selbstverletzung. Ich musste mich dafür bestrafen, dass der Körper dreckig wurde (Gewicht nahm zu). Ich weiß noch, wie depressiv ich war. Ich habe ständig geweint, wurde teilweise zwangsernährt. Tag für Tag.

Aber ich musste eine Entscheidung treffen. Ich musste lernen, dass ich zwischen Dingen unterscheide. Dass ich lerne, was Nahrung wirklich ist. Ich musste lernen, wieder zu essen. Nahrung als Medizin. Die beste Medizin gegen meine Krankheit. Ich habe mir gesagt, dass ich das Essen verdiene und es gut für mich sei. Wenn ich esse, war mein Körper glücklich und dann war auch irgendwann glücklich. Aber es war schwierig. Wenn ich selbst für mich sorgen musste, war das wie eine Tortur. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Selbstverletzung begann und ich hatte keine Kontrolle. Meine Hände wurden von irgendwas anderem geleitet, ich hatte keine Chance aufzuhören. Ich habe mich oft fast zu Tode verletzt. Es ist unglaublich, dass es irgendwie immer gut ausging. Ich hatte oft innere Blutungen und musste operiert und behandelt werden. 42x. Genauer will ich nicht darüber schreiben, aber ich möchte noch erwähnen, dass ich mich so stark verletzt habe, wegen der Sache, dir mal als Kind passiert ist. Diese Sache verfolgt mich noch immer.
Aber ich muss auch sagen, dass es mir besser geht. Ich habe Leute getroffen, die mich mit offenen Armen empfangen haben und mich wie einen Menschen behandelt haben. Sie haben meine Krankheit ernst genommen und ich habe mich sicher gefühlt. Ich konnte ihnen vertrauen und habe gelernt, ihre Stimmen zu hören und nicht die meiner Krankheit. Langsam wurde ich stärker und konnte mehr die Kontrolle erlangen. Ich kann heute sagen, dass ich alles versuche, um ein gesundes Leben zu erhalten. Ich kämpfe gegen meine Krankheit, weil ich einfach nur ich selbst sein möchte. Ich möchte gesund werden und Ärztin werden. Ich möchte anderen Menschen helfen, wenn sie das selbst nicht können.

Ich denke an das gute im Leben - nicht an die Hölle voller Schmerz und Dunkelheit. Wir alle können das Leben wählen. Manche brauchen ein wenig länger als andere, aber das ist okay. Wir alle kommen dort an, es ist möglich.

Ich weiß, welches Leben ich möchte. Ich möchte gesund und stark sein, sodass ich für mich selbst die richtigen Entscheidungen treffen kann. Ich möchte mein Boss werden, anderen helfen, Mutter werden, Oma werden. Ich möchte als alte Frau draußen sitzen und lächeln, weil ich weiß, dass ich mein Leben gelebt habe. Ich möchte wissen, dass ich mit 21 Jahren in der Lage war, die Krankheit loszulassen. Ich möchte wissen, dass ich alles getan habe, um ein gesundes Leben zu leben, auch wenn ich zehn Jahre lang krank war. Eines Tages werde ich dort sitzen und lächeln, glücklich sein. Dann bin ihc in der Sonne und kann der Sonne entgegen gehen. Jetzt noch nicht, aber irgendwann.

Meine Geschichte hat ein Happy End.
Die Sonne scheint, der Sommer kommt, alle sind draußen und genießen die Sonne und das Leben. Ich kann die Freude in mir nicht spüren. Ich bin gerade sehr depressiv. Ich bin eingesperrt und das löst Erinnerungen aus. Hallo, ich bin ein Mensch, also behandelt mich doch auch wie einer.
Ich versuche, mich so gut es geht an die Regeln zu halten, aber das ist nicht einfach, wenn immer Erinnerungen aufgeweckt werden. "Du musst daran arbeiten, deine Gefühle und Gedanken zu kontrollieren", sagt mir mein Psychologe. Das tue ich auch, aber hier in dieser verdammten Isolation geht das nicht so einfach. Ich brauche eine gewohnte Umgebung mit Leuten, denen ich vertraue. Ich brauche meine andere Klinik. Ich weiß nicht, wie ich das hier noch aushalten soll.

Sonntag, 18. Mai 2014

A sacrifice

A sacrifice you make today 
Will never ever be gone
A sacrifice you make today 
Will soon be passed on

A sacrifice you make today 
Will stay in many hearts
A sacrifice you make today 
Help many play their parts

A sacrifice you make today 
Will never be forgotten
A sacrifice you make today 
Will never be mistaken

A sacrifice you make today 
May even change history
A sacrifice you make today 
May be kept in someone’s memory

A sacrifice you make today 
Might light someone’s day up
A sacrifice you make today 
Might fill someone’s dry cup

A sacrifice you make today 
Will always be treasured
A sacrifice you make today 

Will always be remembered 

"Opfer" ist ein Wort, das ich selten benutze, aber hier einfach mal tun muss. In unserem Leben müssen wir öfters Opfer erbringen, vielleicht, damit es uns besser geht oder damit es jemand anderem besser geht. Oder vielleicht deshalb, weil etwas uns oder jemand anderem nicht gut tut. Opfer bringen vielleicht Erleichterung. Man kann etwas freilassen. Aber wenn man etwas opfert, dann weiß man das auch. Man trauert, weil man trotzdem irgendwas verliert, was einem mal etwas bedeutet hat oder noch bedeutet. Es ist traurig, auch wenn etwas gutes dabei rauskommt. 

Aber solche Entscheidungen sind wichtig. Man muss in der Lage sein, weiterzumachen oder eine andere Richtung einzuschlagen. Opfer können Trauer hinterlassen. Trauer in der Familie oder Trauer, weil man etwas oder jemanden verloren hat. Oder weil man ohne dieses Opfer leben muss.

Ich bringe dieses Thema auf, weil ich an diesem Punkt bin. Dort war ich schon öfters, aber ich konnte bisher noch kein Opfer erbringen, damit ich ein anderes Leben bekomme. Ich spreche von meiner Krankheit. Kann ich sie loslassen? Opfer bringen heißt, etwas loszulassen.
Zehn Jahre habe ich in dieser kranken Welt gelebt und auf Befehle und Order gehorcht. Die Krankheit war ein destruktiver Lehrer und hat mir nur Leid gebracht. Ich musste die Konsequenzen der Handlungen ertragen, die ich mit der Krankheit begangen habe.
Für mich ist die Krankheit wie eine Person, sie hat einen Namen, ein Gesicht und einen Körper. Aber sie ist kein Mensch. Sie ist zu einer Person geworden, zu einem Teil von mir, weil es mir peinlich war. Sie ist eine Person und hat eine Stimme. In mir drin. Ich weiß, dass ich eine Krankheit habe und ich muss lernen, damit umzugehen. Wenn ich gesund werden möchte, muss ich mir eingestehen, dass sie ein Teil von mir ist, aber dass ich über diesen Teil Kontrolle erlangt habe. Ich glaube, dass man die Krankheit aufgeben muss, um gesund zu werden. Man muss sich gegen die Krankheit entscheiden. Für diese Krankheit musste ich viel opfern, wodurch ich auch viel verloren habe. Sowohl in der Form von Freunden und meinem Freund, als auch in der Form der wertvollen Kindheit und Jugend. Ich habe Erlebnisse und Erfahrungen verloren und war kein normaler Mensch. Ich habe keine Identität ausgebildet. Ein Dämon war in mir und hat mir gezeigt, wie wertlos, schmutzig und hässlich ich doch bin, sodass jegliches Selbstvertrauen verloren war. Nichts ist gut genug. Wenn ich ein Ziel erreicht habe, war es entweder falsch oder es hätte besser sein können. Ein neues Ziel musste her. Der Dämon saß auf meiner Schulter und brachte mich runter. Ich bin nie gut genug.

ICH muss aber lernen, mit meinen Gedanken umzugehen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, bevor ich handle. Ich treffe oft die Entscheidung, auf die Krankheit zu hören und destruktiv zu handeln, was mich jedoch auf den falschen Weg führt. Ich muss lernen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich bin der Boss, ich treffe hier die Entscheidungen. Der Weg ist lang und beschwerlich, aber er führt zum Ziel. Ein Schritt nach dem anderen.

Also, welche Entscheidung treffe ich? 10 Jahre mit der Krankheit. Zehn Jahre Hölle. Zehn Jahre, in denen ich nur die Hülle bin und die Krankheit mich kontrolliert. Soll das auch im elften Jahr so sein? Oder ist 11 das erste Jahr des neuen Lebens, weil ich die Krankheit geopfert habe? Dann würde ich aufhören, mich der Krankheit zu opfern. Aufhören, die falschen Entscheidungen zu treffen. Den falschen Weg zu gehen. Wir sprechen hier von der Entscheidung zwischen Leben und Tod. Wenn ich mich der Krankheit aufopfere, dann opfere ich auch mein Leben. Dann verschwinden die Träume, dann verschwindet der Kämpfer, dann verschwinde ich. Dann werde ich nur noch eine Erinnerung sein. Ich werde als krankes Mädchen erinnert werden, von vielen. Manche erinnern sich vielleicht an das fröhliche, starke, energetische Mädchen. Ich hoffe, dass sie mich so in Erinnerung behalten werden. Aber halt - ich bin nicht meine Krankheit. Leben oder Tod. Entscheidung treffen.

Sobald ich die Entscheidung treffe, die Krankheit aufzugeben, muss ich jeden Tag, jede Stunde das Leben wählen. Ich muss der Welt zeigen, dass ich nicht meine Krankheit bin. Ich muss gesund handeln, gesunde Entscheidungen treffen. Ich muss der Krankheit widerstehen, wenn die negativen Emotionen überwiegen.

Und manchmal muss man sich auch der Welt unterwerfen. Man muss den Leuten um sich herum vertrauen, dass sie einem helfen wollen. Dass sie einen halten und einem aufhelfen, wenn man fällt. Aber dafür muss man seine Hände auch ausstrecken. Man kann nicht gezwungen werden. Sie können einem nur dabei helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.



Samstag, 17. Mai 2014

Ein Brief

Das kleine Mädchen schreit in der Nacht
Schreit so laut es kann
Es hat Angst, weil es weiß, dass der Teufel gewinnen wird
Das kleine Mädchen will tanzen
Unbeschwert durch das Leben
Aber auf diesem Weg begegnet es tiefen Klippen
Sobald es fällt, landet es in tiefen Gewässern
Es klettert wieder hoch und ist bereit zu gehen
Geht weiter als zuvor
Aber das kleine Mädchen ist müde
Hat keinen Frieden in seinem Kopf
Es benötigt nicht viel, bevor der nächste Fall kommt
Das kleine Mädchen hat den Teufel und den Tod gesehen
Und sich danach eingesperrt
Das Mädchen will nicht sterben
Das Mädchen will tanzen und tanzen
Die Welt entdecken, die Schätze entdecken
Aber in diesem Moment kann das kleine Mädchen einfach nur weinen

Das Mädchen versucht zu überleben
Aber es hängt zwischen zwei Welten und zwei Leben
Es weiß nicht - was ist richtig, was ist falsch
Weil seine Welt schwarz ist
Der Körper zittert - wo lang gehen?
Was ist richtig?
Das Mädchen möchte stark sein
Aber ihre Welt schmerzt
Was tun mit dem Schmerz im Herz?
Das Mädchen versucht, sein Herz zu säubern
Aber sagt nur "Warum bekomme ich nicht mein Leben"
Es möchte nur leben, nur lieben
Und das Gefühl haben, am richtigen Ort zu sein
Einen kurzen Blick erhaschen
Und durch das Leben tanzen


Liebe Krankheit,
es ist jetzt zehn Jahre her, dass du in mein Leben geschlichen bist. Du hast fiese, manipulative Tricks benutzt, um mein Leben zu bekommen. Du hast mir das Gefühl gegeben, dass ich dich bräuchte. Du hast mir klar gemacht, dass ich den inneren Schmerz nicht alleine bewältigen könnte. Du hast mir zugeflüstert, du würdest mir helfen, mein Leben würde perfekt werden. Ich würde perfekt werden und genau das wollte ich. Du sagtest mir, ich sei ein hässliches und widerliches Wesen. Ich verdiene es nicht, eine gute Zeit zu haben. Ich verdiene nichts. Du kamst in mein Leben und ich hörte deine Stimme zum allerersten Mal. Ich war verletzt und du würdest mich heilen, sagtest du. Ich habe dich gehört und dir geglaubt. Dir vertraut. Ich habe schnell die Resultate gesehen - innen, wie außen. Mir gefiel es. Ich hatte die Kontrolle und die Schmerzen habe ich verdrängt. Ich hatte die volle Kontrolle über meinen Körper und konnte tolle Dinge anstellen. Ich konnte aufhören zu essen, wurde dünner und dünner. Aber dann wurdest du auch wütend, wenn ich mich dir widersetzt habe. Ich hatte Angst vor dir. Angst ist meine Schwäche und das wusstest du, nicht wahr? Ich habe mich in einer Welt gefangen gefühlt, in der ich gar keine Kontrolle mehr hatte, aber ich konnte auch nicht aufhören. Ich wusste nicht, wo das hinführen würde und welche Konsequenzen es bringen würde. Ich wusste nur, dass es mir half und das allein zählte.
In einer Frühlingsnacht habe ich etwas traumatisches erlebt, über das ich nicht reden kann. Dadurch wurde der Prozess beschleunigt, weil ich nach diesem Vorfall noch verletzlicher war. Meine Schuld. Ich war dreckig, schmutziger. Voller Scham. Starke Gefühle in mir drin, seit zehn Jahren.
Du hast mir alles genommen, und auch wenn du mir eine ganz neue Welt gegeben hast - sie war die Hölle. Du hast mich verändert und mich krank gemacht.
Du hättest mich fast ins Grab gebracht, so oft. Aber ich werde nicht sterben, ich werde leben.

Es gibt drei Stimmen in meinem Kopf. Wenn alle drei Stimmen laut sind, ist ein Krieg in meinem Kopf. Ich habe so Angst davor, auch wenn ich es gewöhnt bin. Ich bin so erschöpft, will doch nur ich selbst sein.

Das Leben hat mich vor viele Herausforderungen gestellt, aber jede davon hat mich stärker gemacht. Wenn man mit guten und schlechten Dingen konfrontiert wird, lernt man davon und kann später besser damit umgehen.
Die Essstörung bedeutete für mich, dass ich oft ganz tief unten war. Ich war mir oft sicher, dass ich sterben würde. Aber das tat ich nicht. Aber wenn man keine Kontrolle hat, fühlt man sich hoffnungslos und schlecht. Ich hatte keine Kontrolle mehr über meinen Körper, als ich zugenommen habe, und habe mich in meinem Körper fremd gefühlt. In dieser Zeit war die Selbstverletzung für mich schlimmer, weil sie fast tödlich war. Man merkt gar nicht mehr, wann man aufhören muss. Man ist wie betäubt und muss von anderen gestoppt werden.
Es gab schwierige Zeiten, in denen ich mich nicht kontrollieren könnte. Ich hätte mich oft fast umgebracht, weil die Krankheit mir befahl und meinen Körper kontrollierte. Das war für mich und meine Leute schwierig. Es ging nicht darum, ob ich sterben würde. Die Frage war - wann.

Ich bin froh, dass das vorbei ist. Als ich wieder im Krankenhaus war, hätte ich nie gedacht, dass ich es überlebe. Ich dachte, ich würde sterben.
Aber ich bin dankbar, dass ich so gute Hilfe bekomme. Und wir werden daran arbeiten.

Eine Hand greift nach einer anderen
Während die andere leidet
Helft ihr! Sie stirbt!
Sie möchte laufen, aber ihre Füße sind müde
Sie möchte schlagen, aber ihre Hände sind gefesselt
Sie möchte fliegen, aber ihre Flügel sind verletzt
Liebe Engel, helft ihr.
Sie stirbt, sie verschwindet, sie flieht in eine andere Welt
Liebe Engel, nehmt ihr sie auf?
Liebe Engel, möchtet ihr, dass sie auf der Erde ist?
Liebe Engel, seht ihr, was sie möchte?
Sehr ihr, dass sie ihre Hand ausstreckt?
Sie will leben.
Wir sehen sie, hören ihr Herz schlagen, hören sie atmen.
Noch.

Donnerstag, 15. Mai 2014

Update

Ich bin gerade in der O-Klinik, Station 4, wo ich bereits öfters war. Die Station ist okay und ich kenne viele der Leute hier und es ist okay. Meistens war ich wegen meiner Essstörung hier, aber diesmal ist es anders und es gibt andere Regeln und wir konzentrieren uns auf andere Sachen. Ich habe mit dem essen zu kämpfen, aber meine Nahrungsaufnahme ist ziemlich normal, auch wenn ich manchmal hier und da etwas überspringe. Es geht auf und ab, aber es geht weiter.

Ich weiß nicht, wie lange ich hier noch bleiben muss, aber ich hoffe nicht mehr so lange. Ich habe irgendwie keine Zeit dafür. Ich will zurück in meine andere Klinik, in die D-Klinik, und meine Behandlung dort fortsetzen. Mein Therapeut hat gesagt, dass ich dort weitermachen werde, also muss ich das so glauben. Auch, wenn ich nicht 100%ig darauf vertrauen kann.

Heute wollte ich so stark zum Supermarkt gehen und mir verschiedene Süßigkeiten kaufen.. und das sollte mir erlaubt sein. Man sollte mir erlauben, einen Tag der Woche zu nehmen. Aber mir wurde es verboten und mein Kopf hat ein wenig falsch gedacht. Ich kann nicht gut mit Veränderungen oder Ablehnungen umgehen. Aber egal.

Morgen kommt meine Mutter vorbei, ansonsten darf ich keinen Besuch erhalten. Sie wird mir auch ein wenig die Haare schneiden, ich sehe aus wie eine Hexe.
Ich überlege auch noch, ob ich mir morgen neue Zigaretten kaufen soll, oder ob ich einfach aufhören soll... Schwierige Entscheidung. Eigentlich gar nicht schwieriger, aber... mal schauen. Ich rauche eh nicht viel. Maximal vier am Tag.

Naja, das war nur so ein kleines Update. Bis dann

Dienstag, 13. Mai 2014

Evaluation Teil 2

Letzte Nacht konnte ich gar nicht schlafen. Ich war so gespannt, nervös und verängstigt, hatte große Angst, dann kam ein Anfall oder mehr und dann hab ich ein wenig geschlafen, bevor ich wieder wach wurde und was gegessen habe. Sehr schlau von mir, mitten in der Nacht zu essen, während ich Angst habe. Das ist, als würde man eine Bombe zünden, daher hatte ich einen weiteren Anfall.

Ich war jedenfalls sehr nervös vor unserem Gespräch, weil mich immerhin Experten diagnostizieren würden. Es ist gut, einen Namen zu bekommen, aber ich habe auch große Angst davor, einen Stempel aufzubekommen, einer bestimmten Krankheit oder Diagnose oder wie auch immer. Ich bin ich. Ich bin es gewöhnt, nach meiner Krankheit beurteilt zu werden. Aber ich bin meine Krankheit nicht. Ich habe eine Krankheit.

Der heutige Tag hat mir jedoch viel gelehrt. Mir war bewusst, dass es wichtig ist, aber wie wichtig, das war mir nicht klar. Es ist viel passiert, als ich ein Kind war, und ich wusste, dass es wichtig war, aber es spielt wirklich eine große Rolle auf dem Papier. Wir haben um 9.30/10.00 Uhr angefangen und bis 15.00 Uhr geredet. Einfach ein langes Gespräch mit vielen schwierigen Fragen.
Es ging um ganz unterschiedliche Themen. Meine Auffassung von der Realität und wie ich die Welt erlebe, auch in Bezug auf meinen Geist und meine Krankheit. Ich will nicht ins Detail gehen, das würde den Rahmen sprengen. Wir haben über meine Angst gesprochen, was diese Angstzustände auslöst und wie ich damit umgehen kann. Wir haben über meine Anfälle gesprochen. Über meine Dissoziationen und über mein Trauma. Das war wahrscheinlich der schwierigste Part. Durch das Trauma dissoziiere ich, deshalb war es eine Herausforderung, darüber zu sprechen. Das hat auch ziemlich lange gedauert. Im Nachhinein ist es schwierig, mich an alles zu erinnern, aber ich kann noch genauer darüber reden, wenn ich das Ergebnis bekomme. Es war nicht einfach über die Dinge zu reden, die mir unangenehm sind. Die Art, wie ich über manche Sachen denke oder verschiedene Dinge, die ich bewusst oder unbewusst mache.

Als wir fertig waren, fragte ich sie, ob sie einen ersten Eindruck einer Diagnose bekommen hätten, aber sie sagten, dass sie mir das jetzt nicht direkt sagen könnten. Bei einem nächsten Treffen würde ich mehr Informationen bekommen.

Jetzt bin ich ziemlich erledigt und müde, werde was schlafen. Gute Nacht. Und danke für eure lieben Worte!

Montag, 12. Mai 2014

Evaluation

Morgen wird ein sehr aufregender Tag... Ich werde neu evaluiert, mein Krankheitsbild wird neu begutachtet und besprochen. Meine Psychologin und ich sind schon lange im Gespräch und sprechen über viele Themen, um meine Persönlichkeit und Geschichte, meine Ansichtsweisen, mein Denken, meine Bewältigungsstrategien zu eruieren. Eine Art Persönlichkeitstest.
Es sagt viel über eine Person aus, wie sie auf gewisse Fragen reagiert. Wie ihre Körpersprache ist, wie sie antwortet und welche Wörter sie dafür verwendet. Es ist unglaublich, was man aus einer Person rausholen kann, wie mich Ärzte und Psychologen sehen. Es ist wie ein offenes Buch, das gelesen wird.

Vor einer Woche kam dann der Termin von anderen Ärzten, die vorbeikommen und mit mir sprechen werden. Meine Psychologin von meiner Klinik ist auch dabei und ich bin sehr froh, dass ich das machen kann. Es wird einfach über vieles in der Zukunft entscheiden. Vielleicht wird sich vieles ändern, vielleicht nicht. Vielleicht sagen sie mir, dass meine Klinik gut ist und ich dort gesund werde, vielleicht muss manches geändert werden. Vielleicht sprechen wir über Lebensformen nach der Klinik - alleine wohnen oder eine Wohngruppe. Ich hab keine Ahnung, was passieren wird, aber das sind Experten und die wissen Bescheid, vor allem, was meine Probleme betrifft (Persönlichkeitsstörung, Dissoziationen).

Ich bin sehr dankbar für die ganze Hilfe. Ich bin dankbar für das, was ich erlebt habe. Gutes und schlechtes, alles war sehr lehrreich. Aber ich glaube, dass ich jetzt langsam in ein neues und unbekanntes Leben gehen muss. Ich muss vorwärts gehen und ein gutes Leben bekommen. Das möchte ich. Das wollen wir doch alle.

Ich bin froh, dass ich so viel Unterstützung bekomme und auch die richtige Hilfe erhalte. Es hat sich herausgestellt, dass ich in gewissen Bereichen ein wenig mehr Hilfe brauchte. Man muss Entscheidungen treffen und hier mit meinem Team scheint das zu funktionieren. Das Projekt nimmt Formen an.


Aber es gibt auch eine andere Sache... Warum ist es so einfach, das Ziel zu kennen, aber es nicht erreichen zu können? Warum ist das so schwierig? Wenn man den Schlüssel in der Hand hält und vor der Tür steht, warum öffnet man sie nicht einfach? Warum ist es so ein großer Schritt, die Hand nach vorne zu bewegen und den Schlüssel zu betätigen? Warum zögern? Warum einen Schritt zurück machen, wo der Schritt nach vorne doch die Freiheit bringt?

Ich glaube, so geht es vielen von uns und wir alle haben unsere Antworten darauf, oder finden keine Antwort darauf. Ich weiß nicht, warum es bei anderen so ist, ich kann nur für mich und meinen Körper sprechen. Ich glaube, dass ich Angst davor habe, zu versagen. Ich habe Angst vor der anderen Seite, weil sie so unbekannt und gruselig ist. Ich weiß nicht, mit welchen Mitteln ich arbeiten soll, in der realen Welt. Die Tage sind so ungewiss und unbekannt, das macht mir Angst. Wenn ich versage, wird alles schwarz. Der Perfektionist hat versagt. Und wenn ich versage, dann habe ich Angst, dass ich nie wieder aus dieser Tür treten möchte. Ich möchte 100% bereit sein, bevor ich durch die Tür gehe. Damit ich mich stark fühle. Aber vielleicht muss ich auch einen Sprung machen und kleine Schritte machen. Zuerst den Schlüssel ins Schloss, und dann langsam weiter. Man steht auf der Schwelle, hallo, hier bin ich, und eine vertraute Person kommt vorbei. Man fühlt sich gut. Dann bekommt man vielleicht etwas Angst, weil man alles auf einmal machen möchte, aber man muss in der Kontrolle bleiben und nicht fallen.
Der Angst sich aussetzen, sie aushalten. Man darf nicht in seiner Seifenblase bleiben, weil keiner kommt und einen dort rauszieht. Und es gibt auch nicht viele, die mit einem in dieser Seifenblase sein wollen. Nicht wegen dir, sondern wegen der Seifenblase, wegen der Regeln, die dort herrschen, der ganzen Situation. Sie wissen, dass sie diese Situation nicht aushalten können und dass das Leben nur draußen stattfindet. Sie müssen raus und können nicht auf dich warten. Sie müssen ihre Leben auch leben.

Ich habe Angst, enttäuscht zu werden. Ich kämpfe seit zehn Jahren und habe die Vorstellung von etwas schönem, wenn ich gesund bin. Das Leben sollte ein Geschenk sein, ein Gewinn. Aber was, wenn es das nicht wert ist? Wenn ich dieses gute Gefühl nicht erlebe? Wenn ich mich nicht gut fühle? Wenn die Träume Träume bleiben und nicht zur Realität werden. Das ist wie ein Faustschlag ins Gesicht. Das Herz zerbricht und der Traum wird zum Albtraum. Der Traum, der farbenfroh sein sollte, wird pechschwarz..
Es klingt so, als hätte ich eine Vorstellung von einer Idylle. Ja, vielleicht übertreibe ich ein wenig. Aber damit will ich nur verdeutlichen, wie ich mich fühle.
Ja, vielleicht gibt es viele, die nicht in die Realität können, weil sie Angst haben, enttäuscht zu werden oder zu versagen. Und das ist traurig. Ich gehöre zu diesen Menschen, aber begegne langsam meinen Ängsten, weil ich glaube, dass ich dadurch Löcher in meine Seifenblase pieksen kann. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass man nicht alleine ist. Man braucht keine genaue Antwort vorher. Die erhält man auf dem Weg. Man muss diesen Weg aber erst bestreiten, um seine Antworten zu bekommen.

Ich habe in den Jahren gelernt, dass ungefähr 6 Billionen Menschen auf der Welt leben und jeder einzelne unterschiedlich ist. Aber trotz unserer Unterschiede haben wir den gleichen Wert als menschliches Lebewesen. Egal, ob du ein König, ein Präsident, ein Sklave in Afrika oder ein Kellner im Lokal bist. In unserer Gesellschaft ist das leider nicht so. Der Status bestimmt eine Person, er sagt, wer wir sind. Aber er bestimmt nicht unseren Wert. Wir alle sind wertvoll  und verdienen ein gutes Leben, in Frieden und Sicherheit. Ich möchte jetzt aber nicht zu sehr in die Tiefe gehen, weil ich morgen einen wichtigen Termin um 9.00 Uhr habe.

Wünscht mir Glück! Gute Nacht!

Sonntag, 11. Mai 2014

Ein Kopf und ein Körper außer Kontrolle

Ein Kopf und ein Körper außer Kontrolle.
Ein Körper und ein Kopf außer Kontrolle.
Was heißt dieser Satz? Für manche vielleicht ein Bild der Schwäche oder einer Krankheit.
Für mich ein Bild der Realität. Meiner Realität.

Ich kann mich kaum an das Leben erinnern, bevor ich krank wurde. Ich weiß aber noch, dass ich ziemlich aktiv und voller Energie war. Ein kleines Mädchen mit vielen Herausforderungen. Etwas über zehn Jahre später sitze ich hier, die Hölle durchlebt, mit einem Kopf und einem Körper außer Kontrolle.
Meine Essstörung ist eine Sache. Ich habe dort mehr Kontrolle, bin sehr streng mit mir und habe klare Regeln aufgestellt und eine Struktur, an die ich mich halten muss. Das hilft mir, mich vom Fallen zu bewahren. Eine andere Sache ist die Selbstverletzung. Ich hätte nie gedacht, dass ich das überlebe, musste so oft genäht und behandelt werden. Alles war außer Kontrolle. Der Gedanke daran, eine Kontrolle über die Krankheit zu haben; zu wissen, dass die Krankheit einen langsam einnimmt und umbringt. Aber ich lebe.
Ich möchte damit sagen, dass ich besser darin werde, die richtigen Entscheidungen zu treffen und daher auch mehr Kontrolle habe. Das ist das, was jeder möchte. Es ist wichtig, immer die richtigen Entscheidungen zu treffen und dabei habe ich viel Hilfe bekommen. Es ist wichtig, sich auf die Sachen zu konzentrieren, die man kann und erreicht hat - nicht auf die, die man noch nicht kann.

Ich glaube auch, dass es wichtig ist, sich auf das Positive zu konzentrieren, weil es einen motiviert. Das ist nicht immer einfach, wenn die Krankheit einen zurückhält und alles schwarz malt, aber man selbst muss die Kontrolle erlangen. Hilfe suchen, Hilfe annehmen. Ob man es alleine schafft oder Hilfe dabei hat, das Gefühl ist gut. Ein Gefühl, das länger anhalten sollte.

Für mich ist es wichtig, Kontrolle über meinen Kopf und meinen Körper zu gewinnen. Ich habe noch einen langen Weg vor mir, aber ich werde dort ankommen. Ich darf nicht auf Impulse reagieren, sondern muss der Angst standhalten. Nicht dissoziieren. Ich muss die Kontrolle erlangen.

Und damit wünsche ich euch noch einen schönen Sonntag!

Samstag, 10. Mai 2014

L-Klinik

"Du hast unglaubliche Fortschritte gemacht, in so vielen Bereichen. Die kleine Blume fängt an zu blühen."

Diese schönen Worte habe ich heute von einer Ärztin bekommen. Für mich ist es sehr schwierig, Komplimente anzunehmen, aber ich versuche, zu akzeptieren, was andere zu mir sagen. Vielleicht hilft mir das, meine Persönlichkeit zu formen. Ich fange an, mich als Person zu fühlen. Ich spreche von mir oft in der 3. Person, ich weiß auch nicht wieso. Vielleicht hilft es mir, ein wenig Abstand zu mir zu bekommen. Ich habe immer noch mit Verhaltensweisen und Zwängen zu kämpfen und ich muss neue Methoden erlernen, um damit umzugehen. Die Krankheit loslassen, dagegen anzugehen, nicht auf die manipulativen Worte hören. Denn das tue ich, wenn ich falle und verletzlich bin. In den letzten Tagen war es wieder schwierig. Auch wenn es immer besser wird, den Impulsen nachzugeben, ist es manchmal nicht genug. Gestern, Freitag, wurde ich wieder in die L-Klinik geschickt, zur akuten Behandlung. Die jetzige Klinik wollte die Verantwortung nicht übernehmen und jetzt bin ich hier und frage mich, wie ich das schaffen soll. Die Tür ist verschlossen, ich habe ständig jemanden bei mir. Ich fühle mich gefangen, kann nicht atmen, bin unsicher und habe Angst.
Ich fühle mich hintergangen und betrogen von meinem Team. Ich habe ihnen vertraut und mich so geöffnet, was bedeutete, dass ich öfters dissoziiert habe und abwesender war, aber ich habe die nötige Hilfe bekommen. Und dann sagen sie mir plötzlich, dass ich nicht hier sein kann, auch wenn sie mir das versprochen haben. Und jetzt bin ich in der L-Klinik, an die ich so schlechte Erinnerungen habe. Es tut weh. In der anderen Klinik wurde ich wie ein Mensch behandelt, hier fühle ich mich total abgewiesen und betrogen.
Ich weiß aber auch, dass nur ich daran Schuld bin, dass ich hier bin. Ich vergebe meinen Therapeuten und meinem Team, weil ich weiß, dass ich ihnen vertraue. Tief in mir drin weiß ich, dass ich dieses Vertrauen noch habe. Ich will wieder aufblühen. Und das werde ich - überleben und aufblühen. Es ist schwierig und ich bin an einem unschönen Ort, wo ich mich alleine und beängstigt fühle. Ich habe geweint und mein Bauch tut mir weh. So sollte es nicht sein.
Ich denke an all die Sachen, die in den letzten Jahren passiert sind. Zehn Jahre, nachdem ich erkrankt bin, habe ich immer noch den gleichen Kampf in meinem Kopf. Egal, wie hart ich kämpfe, ich falle und falle. Sie fällt und fällt, steht wieder auf, um doch wieder zu fallen.
Ich weiß nicht, wie ich mit dieser Unsicherheit und Angst umgehen soll. Ich habe Angst, dass es nie einen Ort geben wird, an dem ich mich sicher fühlen werde. Jedenfalls nicht nach dem, was gestern passiert ist. Es tut weh.
Wie auch immer. Ich versuche, den Kopf oben zu halten, auch wenn es schwer ist. Ich werde es versuchen. Ich muss meine Kraft wiederfinden, weil es so viele gibt, die an mich glauben. Die glauben, dass ich meine Ziele erreiche und ein gutes Leben führe. Ich hoffe, dass ich das irgendwann auch selber glauben kann.

Mittwoch, 7. Mai 2014

Angst

Ich habe Angst. Es ist eine Angst, mit der ich nicht umgehen kann, die ich nicht aushalten kann. Aber sie wird mich nicht zum Fallen bringen.

Das Herz schlägt schneller, schneller und schneller, stärker und stärker. Ich atme schnell und unkontrolliert. Meine Hände und Füße fangen an zu zittern und schnell ist es der ganze Körper. Ich liege auf dem Boden, sehe nur Schwarz. Meine Augen verdrehen sich, ich atme unregelmäßig, mein Körper zittert. Irgendwann ist es vorbei. Einatmen, ausatmen. Und dann geht es wieder los. Runde für Runde, 1,5 Stunden lang.
Warum? Weil ich Angst hatte. Das Mittagessen gestern war zu viel, ich hab mich übermäßig voll gefühlt und das Essen lag mir den ganzen Tag im Magen. Die nächste Malzeit kam, es gab Hühnchen und Gemüse und das musste ich essen, weil das der Deal ist. Ich musste es aufessen und habe es auch getan. Ein Stück nach dem anderen, kauen und schlucken. Angst, Angst, Angst. Ich habe mich so dreckig gefühlt, auch wenn ich weiß, dass essen wichtig ist.

Diese Anfälle sind für meinen Körper sehr anstrengend und sie passieren jeden Tag. Ich möchte sie nicht haben, aber kann nichts dagegen machen. Sie werden durch meine Angst ausgelöst und diese Angst kommt dadurch, dass ich esse. Ich müsste also weniger essen, um weniger Angst zu haben und somit auch weniger Anfälle.

Aber so blöd bin ich nicht. Dadurch wird es auch nicht besser und es ist nur eine andere Krankheit, die die eine ablöst.

Ich muss einfach stark bleiben, ruhig atmen und weitermachen.

Freitag, 2. Mai 2014

Eine andere Sprache

Vor kurzem habe ich die Geschichte eines acht jährigen Jungen gelesen, der ein sehr hartes Leben hatte. Er wurde von seinem Stiefvater misshandelt und getötet. Als er eines Tages nach Hause zu seiner Oma kam und sie Blutergüsse auf seiner Haut sah, fragte sie ihn danach. Aber er meinte nur, er habe sich beim Spielen wehgetan. Er hatte immer Ausreden - aus Angst davor, von seinem Stiefvater wieder misshandelt zu werden. Viele wussten bescheid, aber keiner unternahm etwas. Keiner half ihm und schließlich starb er an seinen Verletzungen. Er war ein großartiges Kind, hatte ADHS und nahm deshalb viele Tabletten, hatte starke Regeln und eine starre Struktur, die er brauchte. Was ihm zugestoßen ist, ist nicht okay und niemand sollte sowas durchmachen müssen. Niemand hat das Recht, einem unschuldigen Kind so etwas anzutun. Ich bin noch immer sprachlos und habe Tränen in den Augen. Er wollte mit seinen Ausreden anderen verstehen geben, was passiert, aber keiner hat seine Sprache verstanden. Es ist sehr traurig und ich hoffe, er wird in Frieden ruhen. Mögen die Engel nach dir schauen, kleiner Christoph, damit du im Himmel fröhlich spielen kannst.

Das musste ich gerade loswerden. Ist schon etwas her, dass ich davon gehört habe, aber ich musste gerade daran denken.

Ich bin noch immer in der Klinik, aber es ist okay soweit. Es ist ziemlich anstrengend, aber alles wird gut. Meine Angstzustände machen mir ziemlich zu schaffen. Es ist anstrengend, aber ich weiß auch, dass es so sein muss, damit ich besser damit umgehen kann und den Umgang damit erlerne. Meine Therapeutin sagt, dass ich ein schlechtes Toleranzlevel für Angst habe, was heißt, dass ich ungewöhnlich schnell von Level 1 zu Leven 3 gehe, was den Angstzustand betrifft. Es gibt drei Stufen und Stufe 3 ist die höchste Angststufe. In meinem Fall reagiere ich mit einer Angst Abwehrmechanismus. Eine Art, mit der Angst umzugehen. Ich habe so eine Art von Blackout mit Anfällen, ähnlich wie epileptische Anfälle, nur dauern meine Anfälle länger an. Solche Anfälle habe ich fast täglich und ich bin sehr erschöpft davon. Es gibt so viele Dinge, an denen ich arbeiten muss. Ich fühle mich hier sicher und vertraue den Leuten. Die Anfälle sind nicht gefährlich, solang ich nicht hinfalle und mir irgendwo den Kopf aufschlage oder sowas. Deshalb ist immer jemand da und passt auf, damit ich mich nicht an irgendwas verletze. Aber irgendwann geht es vorbei, dann ist der Anfall vorbei und ich bin wieder da. Ich weiß nie, wann ein Anfall kommt, deshalb muss ich ein wenig vorsichtig sein und drauf achten, dass ich nie irgendwo komplett alleine bin.

Wir arbeiten hier an vielen Sachen, z.B. den Ernährungsplan, den meine Psychologin aufgestellt hat. Es ist schwierig, aber ich schaffe das. Ich finde es schwierig zu essen, weil ich danach immer so negative Emotionen habe. Und um die zu vermeiden, will ich eben auch das Essen vermeiden. Aber das wird. Ich habe es satt, in einem Käfig zu leben. Aber ich bin jetzt seit ca einem Jahr bei einem gesunden Gewicht und das hatte ich in zehn Jahren nicht mehr so lange. Dadurch habe ich viel mehr Möglichkeiten, auch wenn es noch viel gibt, was ich kennenlernen muss. Ich muss lernen, meine Gefühle besser einzuschätzen. Es gibt einen Grund, warum sie da sind und es kommt darauf an, wie ich mit ihnen umgehe. Ich gebe mir Mühe und das ist, was zählt. Es ist ein Kampf, in dem bin ich drin, ich habe viele Unterstützer und dafür bin ich sehr dankbar.
Ich versuche hier in der Klinik auch viel für die Schule zu lernen und kleine Aufgaben zu erledigen. Ich liebe es, neue Dinge zu lernen.

Es gibt so viel gutes in meinem Leben. Ich habe tolle Freunde, eine starke Familie und viele Unterstützer in meiner Klinik, damit ich an mir arbeiten kann. Damit ich gesund werde. Das ist mein Ziel, dafür kämpfe ich jeden Tag. Es sind jetzt zehn Jahre und ich kämpfe so hart ich kann, auch wenn ich mich oft so schwach und wertlos fühle, dass ich aufgeben möchte. Aber das tue ich nicht. Ich will ein Leben haben, ich will mein Leben bestimmen. Ich will bestimmen, was ich wann tue und wie ich das tue. Ich möchte einfach nur leben...