Montag, 12. Mai 2014

Evaluation

Morgen wird ein sehr aufregender Tag... Ich werde neu evaluiert, mein Krankheitsbild wird neu begutachtet und besprochen. Meine Psychologin und ich sind schon lange im Gespräch und sprechen über viele Themen, um meine Persönlichkeit und Geschichte, meine Ansichtsweisen, mein Denken, meine Bewältigungsstrategien zu eruieren. Eine Art Persönlichkeitstest.
Es sagt viel über eine Person aus, wie sie auf gewisse Fragen reagiert. Wie ihre Körpersprache ist, wie sie antwortet und welche Wörter sie dafür verwendet. Es ist unglaublich, was man aus einer Person rausholen kann, wie mich Ärzte und Psychologen sehen. Es ist wie ein offenes Buch, das gelesen wird.

Vor einer Woche kam dann der Termin von anderen Ärzten, die vorbeikommen und mit mir sprechen werden. Meine Psychologin von meiner Klinik ist auch dabei und ich bin sehr froh, dass ich das machen kann. Es wird einfach über vieles in der Zukunft entscheiden. Vielleicht wird sich vieles ändern, vielleicht nicht. Vielleicht sagen sie mir, dass meine Klinik gut ist und ich dort gesund werde, vielleicht muss manches geändert werden. Vielleicht sprechen wir über Lebensformen nach der Klinik - alleine wohnen oder eine Wohngruppe. Ich hab keine Ahnung, was passieren wird, aber das sind Experten und die wissen Bescheid, vor allem, was meine Probleme betrifft (Persönlichkeitsstörung, Dissoziationen).

Ich bin sehr dankbar für die ganze Hilfe. Ich bin dankbar für das, was ich erlebt habe. Gutes und schlechtes, alles war sehr lehrreich. Aber ich glaube, dass ich jetzt langsam in ein neues und unbekanntes Leben gehen muss. Ich muss vorwärts gehen und ein gutes Leben bekommen. Das möchte ich. Das wollen wir doch alle.

Ich bin froh, dass ich so viel Unterstützung bekomme und auch die richtige Hilfe erhalte. Es hat sich herausgestellt, dass ich in gewissen Bereichen ein wenig mehr Hilfe brauchte. Man muss Entscheidungen treffen und hier mit meinem Team scheint das zu funktionieren. Das Projekt nimmt Formen an.


Aber es gibt auch eine andere Sache... Warum ist es so einfach, das Ziel zu kennen, aber es nicht erreichen zu können? Warum ist das so schwierig? Wenn man den Schlüssel in der Hand hält und vor der Tür steht, warum öffnet man sie nicht einfach? Warum ist es so ein großer Schritt, die Hand nach vorne zu bewegen und den Schlüssel zu betätigen? Warum zögern? Warum einen Schritt zurück machen, wo der Schritt nach vorne doch die Freiheit bringt?

Ich glaube, so geht es vielen von uns und wir alle haben unsere Antworten darauf, oder finden keine Antwort darauf. Ich weiß nicht, warum es bei anderen so ist, ich kann nur für mich und meinen Körper sprechen. Ich glaube, dass ich Angst davor habe, zu versagen. Ich habe Angst vor der anderen Seite, weil sie so unbekannt und gruselig ist. Ich weiß nicht, mit welchen Mitteln ich arbeiten soll, in der realen Welt. Die Tage sind so ungewiss und unbekannt, das macht mir Angst. Wenn ich versage, wird alles schwarz. Der Perfektionist hat versagt. Und wenn ich versage, dann habe ich Angst, dass ich nie wieder aus dieser Tür treten möchte. Ich möchte 100% bereit sein, bevor ich durch die Tür gehe. Damit ich mich stark fühle. Aber vielleicht muss ich auch einen Sprung machen und kleine Schritte machen. Zuerst den Schlüssel ins Schloss, und dann langsam weiter. Man steht auf der Schwelle, hallo, hier bin ich, und eine vertraute Person kommt vorbei. Man fühlt sich gut. Dann bekommt man vielleicht etwas Angst, weil man alles auf einmal machen möchte, aber man muss in der Kontrolle bleiben und nicht fallen.
Der Angst sich aussetzen, sie aushalten. Man darf nicht in seiner Seifenblase bleiben, weil keiner kommt und einen dort rauszieht. Und es gibt auch nicht viele, die mit einem in dieser Seifenblase sein wollen. Nicht wegen dir, sondern wegen der Seifenblase, wegen der Regeln, die dort herrschen, der ganzen Situation. Sie wissen, dass sie diese Situation nicht aushalten können und dass das Leben nur draußen stattfindet. Sie müssen raus und können nicht auf dich warten. Sie müssen ihre Leben auch leben.

Ich habe Angst, enttäuscht zu werden. Ich kämpfe seit zehn Jahren und habe die Vorstellung von etwas schönem, wenn ich gesund bin. Das Leben sollte ein Geschenk sein, ein Gewinn. Aber was, wenn es das nicht wert ist? Wenn ich dieses gute Gefühl nicht erlebe? Wenn ich mich nicht gut fühle? Wenn die Träume Träume bleiben und nicht zur Realität werden. Das ist wie ein Faustschlag ins Gesicht. Das Herz zerbricht und der Traum wird zum Albtraum. Der Traum, der farbenfroh sein sollte, wird pechschwarz..
Es klingt so, als hätte ich eine Vorstellung von einer Idylle. Ja, vielleicht übertreibe ich ein wenig. Aber damit will ich nur verdeutlichen, wie ich mich fühle.
Ja, vielleicht gibt es viele, die nicht in die Realität können, weil sie Angst haben, enttäuscht zu werden oder zu versagen. Und das ist traurig. Ich gehöre zu diesen Menschen, aber begegne langsam meinen Ängsten, weil ich glaube, dass ich dadurch Löcher in meine Seifenblase pieksen kann. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass man nicht alleine ist. Man braucht keine genaue Antwort vorher. Die erhält man auf dem Weg. Man muss diesen Weg aber erst bestreiten, um seine Antworten zu bekommen.

Ich habe in den Jahren gelernt, dass ungefähr 6 Billionen Menschen auf der Welt leben und jeder einzelne unterschiedlich ist. Aber trotz unserer Unterschiede haben wir den gleichen Wert als menschliches Lebewesen. Egal, ob du ein König, ein Präsident, ein Sklave in Afrika oder ein Kellner im Lokal bist. In unserer Gesellschaft ist das leider nicht so. Der Status bestimmt eine Person, er sagt, wer wir sind. Aber er bestimmt nicht unseren Wert. Wir alle sind wertvoll  und verdienen ein gutes Leben, in Frieden und Sicherheit. Ich möchte jetzt aber nicht zu sehr in die Tiefe gehen, weil ich morgen einen wichtigen Termin um 9.00 Uhr habe.

Wünscht mir Glück! Gute Nacht!

2 Kommentare:

  1. Viel Glück! :)
    Mir fällt dazu ein Zitat von kafka ein - Je länger man vor der Tür zögert, desto fremder wird man.
    Und es stimmt, da ist so viel Angst, vor dem ganzen Leben und mit der müssen wir lernen umzugehen.
    Ich hoffe, dein Tag ist gut verlaufen:)

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  2. Der Wert eines Menschen ist unermesslich.

    Das klingt gut, dass du neu diagnostiziert wirst - manchmal ergeben sich dabei ja neue Erkenntnisse, oder Sachen, die bislnag "übersehen" wurden. Man selbst kann sich glaube ich gar nicht so detailliert betrachten, wie es Fachleute von außen können. Aber dafür haben sie ja auch ihren Beruf gelernt. :) Im Idealfall. :)

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