Montag, 30. Dezember 2013

Allein, ganz allein

Nun ist es an der Zeit, wieder ein bisschen zu schreiben. Ich weiß nicht, ob es so viel gutes zu erzählen gibt, leider. Viel ist passiert, seit ich das letzte Mal geschrieben habe. Ich bin so tief unten. Meine Welt und meine Träume sind zusammengebrochen. Ich bin in 1000 Teile gesprungen, mein Herz ist zerbrochen, meine Kraft ist am Ende.
Ich bin so wütend und traurig und wütend. Ich bin traurig und hoffnungslos. Aber das bin alleine ich schuld. In letzter Zeit habe ich so viele falsche Entscheidungen getroffen. Ich habe die Krankheit über das Leben gewählt. Ich habe auf die Krankheit gehört, anstatt auf die Leute um mich herum. Ich habe genau das Gegenteil von dem gemacht, was ich machen sollte. Ich habe sabotiert, weil ich Angst vor den Gefühlen hatte. Ich habe Tag für Tag aufgegeben, habe mich der Krankheit hingegeben. Ich habe zugelassen, dass die Krankheit alles ruiniert hat, wirklich alles. Die Krankheit hat mir alles genommen und ich bin allein. Ich habe zugelassen, dass mein Freund mich verlassen hat. Ich habe die Krankheit über ihn gewählt.
Ich habe mich falsch entschieden, weil ich mich in meiner Welt gefangen fühlte, aber jetzt ist es zu spät. Ich bin allein. Der große Traum ist geplatzt und liegt zerbröckelt vor mir. Der Traum, der mir alles bedeutete. Was mache ich jetzt? Und wer ist daran schuld? Ich, nur ich allein. Ich habe die Entscheidungen getroffen.

Derzeit bin ich in der Klinik. 24 Stunden Überwachung. Wegen der Entscheidungen, die ich getroffen habe. Ich hätte fast mein Leben verloren und habe dabei verloren, was ich in meinem Leben hatte. Ich liege hier und denke an alles, denke an Lars und mich, all das, was ich gesehen hatte. Heiße Sommer und schwimmen gehen, all die Lieder, die wir zusammen gesunden haben, die Partys, Momente, Gespräche. Es gibt so viel. Lars ist so stark und ich bewundere ihn. Und ich hätte wahrscheinlich die gleiche Entscheidung getroffen. Er hat es getan, um sich zu retten. Ich und meine Krankheit waren kurz davor, ihn runterzuziehen, und ich bin froh, dass er jetzt befreit ist. Wir hatten vier Jahre, in denen wir durch dick und dünn gegangen sind, und uns an die Träume gehalten haben. Aber ich habe gemerkt, dass man sich an Träumen nicht festhalten kann. Ein Mensch muss Erfahrungen machen und Momente leben. Und das konnte er nicht. Die Krankheit war im Weg. Egal, wie stark er versucht hat, die Wände zwischen der Krankheit und mir zu zerbrechen, er hat es nicht geschafft. Und das tut mir so leid. Ich hoffe, er schaut auf die schönen Zeiten zurück und nicht aauf die dunkle Krankheit. Ich hoffe, er erinnert sich an mein Lachen, nicht an meine Tränen. Ich hoffe, er erinnert sich an mich und nicht an die Krankheit.

Ich weine bitterlich. Weil ich so wütend bin. Jetzt ist es zuspät. Ich versuche mir zu sagen, dass ich aufstehen muss und leben muss. Aber die Wahrheit ist, dass ich nicht weiß, ob ich wieder aufstehen kann. Ich bin ganz alleine. Ich habe zwar meine Familie, aber auch da gibt es Probleme. Über die möchte ich hier nicht schreiben, weil nur ich daran Schuld bin.

Ich hasse diese Krankheit und ich bin so verdammt wütend auf sie. Sie hat mir alles genommen. Ich war 11 und jetzt bin ich fast 21 Jahre. Zehn verdammte Jahre. Zehn Jahre war ich krank und habe nicht aufgegeben. Auch nicht die Leute, die ich um mich habe und dafür bin ich dankbar. Ich habe viel durchgemacht in den letzten zehn Jahren und es ist komisch, dass ich noch lebe. Und das soll irgendwas heißen, auch wenn ich das jetzt noch nicht sehen kann. Ich sehe kein Licht, alles ist dunkel, ich fühle mich innerlich tot und fühle mich so allein. Trotzdem versuche ich eine Entscheidung zu treffen. Die muss ich treffen. Mein Leben spielt sich jetzt ab und auch, wenn mein Herz zerbrochen ist, muss ich eine Entscheidung treffen. Ich möchte Ärztin werden, eine Familie haben und meinen Traum leben. Die Krankheit will mir das nehmen, mit einem Bein im Grab. Auf beiden Seiten meines Weges sind Dornen und es gibt Löcher, in die ich falle und wieder aufstehe. Wer kann mir dabei helfen? Ich rufe nach den Händen, aber ich kann sie nicht annehmen und mit ihnen zum Licht gehen.
Ich bin alleine. Meine größte Angst war, allein zu sein. Jetzt hat er die Entscheidung getroffen und ich bin alleine.
Viele sagen, dass das einfach nur eine schwere Zeit ist. Aber so ist es nicht. Sie ist nicht schwierig, sie ist unerträglich. Es ist schrecklich und ich kann es nicht aushalten.
Ich bin krank, sehr krank, mein Kopf ist nicht klar und ich bin nicht bereit. Ich bin die Krankheit, mein Ich ist weg, ich bin von der Krankheit eingenommen.

Ich versuche, mich zu erreichen, ich will mich wieder finden. Ich versuche mir zu sagen, dass ich einen Tag nach dem anderen nehmen soll. Ich muss an die Konsequenzen denken.  Das Leben wartet auf mich, schaffe ich das?
Kann ich das Leben haben, das ich so sehr möchte? Doch das sind nur Wort von einer verwirrten Kreatur. Ich bin verwirrt und habe Angst. Ich bin alleine, ich weine, ganz alleine.

Mittwoch, 25. Dezember 2013

Weihnachtspatient

Weihnachten ist hier. Der Weihnachtsbaum steht an derselben Stelle wie letztes Jahr. Die Weihnachtsdekorationen sind im Haus, das Essen ist vorbereitet, Weihnachtsmusik läuft. Alle haben eine schöne Zeit. Es ist Weihnachten.

Und ich? Ich hab eine große Leere in mir. Ich spüre die Weihnachtsfreude nicht, mein Herz wird nicht erfüllt. Das einzig schöne ist, dass mein Liebster zu Weihnachten zuhause ist. Jetzt sehe ich ihn endlich wieder. Aber dennoch raubt mir die Krankheit viele Gefühle. Ich habe das Gefühl, mich komplett verloren zu haben. Ich weiß nicht, wer ich bin. Die Krankheit und der Hass in mir ist so stark und ich kann nicht glauben, dass ich irgendwann gesund sein werde. Ich versuche darüber nachzudenken, warum ich mich auf einmal so fühle.
Ich glaube, vieles kommt mit dem Hass auf meinen Körper. Ich bin körperlich gesund und hasse meinen Körper so stark. Ich fühle mich unwohl und wenn ich mich betrachte, hasse ich alles, was ich sehe.

Was ist nur mit dem starken und positiven Ich passiert? Vielleicht bin ich nicht so stark und positiv. Vielleicht bin ich eine schwache Person, die einfach dürr sein muss, um mit sich selbst leben zu können. Aber ich weiß auch, dass ich nicht in die Hölle der Anorexie zurückkommen werde. Ein Körper, der nur dazu Kraft hat, im Bett zu legen, ist kein körper. Das ist kein Leben. Und wenn ich daran denke, dass ich Ärztin werden möchte, habe ich Hoffnung und merke, dass ich nicht anorektisch sein kann. Ich muss mich entscheiden und das habe ich. Ich habe mich für das Leben entschieden, auch wenn die Krankheit alles versucht, um es mir zu nehmen. Sie serviert mir Lügen vom Tod und drängt mich dorthin. Aber ich will nicht sterben.

Gerade bin ich zuhause. Ich sitze im Wohnzimmer und im Fernsehen läuft irgendein Weihnachtsfilm. Aber lange werd cih nicht mehr bleiben dürfen, weil ich wieder in die Klinik muss. Ich soll vier Wochen dort bleiben, um wegen starker Selbstverletzung behandelt zu werden. Und ich selber spüre den Schmerz nicht, weil der emotionale Schmerz viel größer ist. Ich kann meinem Körper alles antun, ohne es zu merken.

Meine Familie ist hilflos. Was sollen sie tun? Ich könnte sterben, ich falle und falle, ich stehe mit einem Bein im Grab. Was können sie tun?
Sie können meine Schmerzen nicht lindern. Ich muss sie sortieren. Ich weiß, wo der Schmerz sitzt und dort muss ich auch arbeiten. Tief im Herzen. Aber das traue ich mich nicht. Ich habe Angst, schreckliche Angst. Ich habe Angst, dass mein Schmerz so stark ist, dass ich ihn nicht kontrollieren kann, wenn ich dort angelange. Ich habe Angst, dass ich damit meine Familie und alle um mich herum verletze. Ich will alle anderen nicht verletzen, aber ich weiß auch, dass ich es jetzt schon mache, wo ich alles in mir behalte und eifnach nur ein Zombie bin. Ich weiß, dass es irgendwann raus muss, aber dafür muss ich bereit sein.

Ich bin müde, mein Körper ist müde und ich bin depressiv. Aber hey, es geht vorbei. Ich muss an meine Ziele und Träume denken und weitergehen, auch wenn es sich unmöglich anfühlt.

Ich hoffe, ihr habt alle schöne Weihnachten!

Dienstag, 24. Dezember 2013

Frohe Weihnachten!

Dieses Jahr ist Weihnachten ein wenig anders. Die letzten neun Weihnachten waren sehr speziell, aber dieses Jahr gehört mein Körper mir, nicht der Magersucht. Aber dennoch gab es Sachen, die in den letzten Tagen sehr schwierig waren und wegen denen ich in der Klinik war. Zum Glück darf ich heute wieder nach Hause und das ist wohl das größte Geschenk. Zuhause, wo die Familie versammelt ist, und nicht im Krankenhaus. Ich bin dankbar, dass ich am Leben bin. Nach neun Jahren ist der Körper erschöpft, der Kopf ist erschöpft. So wie die Dinge jetzt sind, kann es nur besser werden.

Ich wünsche euch allen fröhliche Weihnachten und schöne Feiertage! Wo ihr auch feiert, ob mit der Familie, dem Freund/der Freundin, oder zuhause alleine. Ich wünsche euch frohe Weihnachten und vielen lieben Dank für die treuen Kommentare. Das bedeutet mir wirklich sehr viel. Passt auf euch auf!

Dienstag, 10. Dezember 2013

One day at a time

Heute ist wieder einer der schwierigen Tage, von denen ich in letzter Zeit leider viele hatte. Viel Dunkelheit. Deshalb ist es umso wichtiger, nach der Sonne zu schauen, die den Tag etwas aufhellt. Den Tag, nicht die Tage, denn ich will einen Tag nach dem anderen nehmen. Alles andere wäre etwas zu viel. Wenn ich an mehr als den nächsten Tag denke, verliere ich den Mut und die Hoffnung, die ich so sehr brauche.
Ich sitze gerade im Wohnzimmer bei meiner Mutter. Sie hat den Ofen an und Kerzen angezündet. Der Weihnachtsstern leuchtet im Fenster, alles ist sehr gemütlich. Meine Mutter versucht alles so angenehm wie möglich zu machen, aber es ist nicht genug. Alle versuchen ihr bestes, aber sie können mir nicht helfen und sie fühlen sich hilflos.
Die einzige, die wirklich etwas machen kann, bin ich. Aber wenn die Tage schwierig sind, ist das einfacher gesagt als getan. Ich kann alles machen. Ich kann auch auf die Krankheit hören, weil sie bekannt ist, aber dann kann ich nicht weitermachen. Ich wandere in meiner eigenen Welt, in der ich neun Jahre war. Es ist so einsam hier und ich bin traurig, hier zu sein. Die Krankheit nimmt mir alles. Zeit, wertvolle Momente, Fokus, Freude, Glück. Es ist unmöglich zu leben, wenn die Krankheit im Nacken sitzt. Man existiert nur. Das ist nicht das Leben, von dem ich träume.
Meine Träume sind stark und waren das auch immer, aber manchmal fühlen sie sich unmöglich an. Manche Tage sind besser als andere.

Die Krankheit ist teuflisch. Ich denke oft daran, was sie mir und allen um mich herum angetan hat. Wenn man sich meinen Körper anschaut, sieht man einen Bruchteil des Schmerzes, den ich erlitten habe. Narben über Narben. Die Magersucht hat mich hungern lassen, jahrelang, ich war dem Tod oft nahe. Sie hat mir gesagt, wer ich bin, auch wenn es nur eine Lüge nach der anderen war. Was auch immer ich getan habe, es war nicht gut genug. Sie hat mich in verschiedene Richtungen getrieben. Mit 11 sollte ich gut in der Schule und im Handball werden. Nein, nicht gut, perfekt. Zuhause, in der Schule, mit Freunden, im Sport. Perfektionist. Aber ich war nie gut genug. Ich habe mich nie gut genug gefühlt. Die Magersucht hat mir gesagt, sie könne mir helfen. Die Gedanken fingen früh an. Ich glaub, mit 9-10 Jahren habe ich angefangen zu denken, dass ich dünn werden könnte und damit alles besser werden würde. Der Kopf wäre die Lösung für all die Probleme.

Ich war in einer kranken Welt gefangen. Ich war krank. So viele innere Wunden, die nie ganz heilen werden. Meinen Frieden werde ich nicht finden, bevor ich nicht alle Wunden heile. Ich muss durch die Hölle gehen, um frei zu werden. Das ist ein guter Grund, einfach aufzugeben. Aber ich habe meine Träume, ich habe einen starken Drang, gesund zu sein. Ich will mich finden. Ich will anderen als Ärztin helfen. Ich will meine Geschichte erzählen. Und anderen vielleicht auch damit helfen, wenn ich das kann.

 Ich will einen Tag nach dem anderen nehmen. Ich denke daran, dass ich irgendwann gesund sein werde, auch wenn es jetzt noch dunkel ist. Ein Tag kommt nach dem anderen, aber irgendwann wird es besser. Dennoch habe ich Angst davor, dass ich es nicht schaffe und nicht gewinnen werde. Dass ich nicht gut genug bin.

Ich kämpfe, aber habe Angst, dass ich irgendwann aufgebe. Meine Träume aufgebe. Die Krankheit nimmt Leben, das ist mir bewusst. Wenn destruktive Gedanken kommen, versuche ich zu denken - was machst du da eigentlich? Das sind kranke Gedanken, so wirst du nie Ärztin!
Das Wort "Ärztin" löst in mir unglaubliche Gefühle aus. Sehnsucht nach Dingen, die ich erreichen möchte. Ich habe alles, was ich brauche, ich muss nur daran glauben. Ich habe Ziele und nur die Krankheit hält mich davon ab. Aber warum soll ich meine Ziele nicht erreichen? Ich habe genau so das Recht auf Leben wie alle anderen auch. Ich versuche mir zu sagen, dass ich es verdiene, zu leben und gesund zu sein.

Neun Jahre Leid, wann ist es genug? Das liegt an mir. Es liegt an mir, 100% gegen die Krankheit zu kämpfen. Den Versuchungen widerstehen.

Ich will meine Freiheit. Die Freiheit, das zu tun, was ich machen möchte. Das ist doch etwas völlig normales, dazu sind wir doch bestimmt, oder?

Und vor allem möchte ich, dass meine Familie und Freunde frei sind. Ich möchte nicht, dass sie wegen meiner Krankheit leiden. Meine Mutter, Schwester, mein Freund. Sie haben so viel durchgemacht und das tut mir so leid. Das Leben sollte für sie nicht so hart sein. Sie haben so viel Leid erfahren wegen meiner Krankheit.

Ich muss die richtigen Entscheidungen treffen.
Wenn ich das Leben wähle, wähle ich mich selber. Ärztin werden, Kinder, Sport, Gesundheit, Freunde, Familie, Leben, Freude, Menschen, Motivation, Stärke, Mut, Bücher, Reisen, Hobbys, LARS.

Wenn ich die Krankheit wähle, wähle ich den Tod. Ende des Lebens, ende der Freude. Lügen, krank sein, Krankenhäuser, Schmerz, Essen, Bulimie, Anorexie, Therapien, Behandlungen. Ich verliere mein Leben, ich bin einsam, alleine und schließlich tot.

Für andere ist diese Entscheidung ganz einfach. Für mich hängt sie fest. Ich hänge unten fest und muss mich nach oben kämpfen. Aber der Weg ist stürmisch und schwierig. Die größte Veränderung. Ich stehe dazwischen, mit einem Bein im Grab, wie immer.

Samstag, 7. Dezember 2013

Zwei Schritte vor und einer zurück

Das Leben ist eine Achterbahnfahrt, es geht hoch und runter. Heute bin ich unten, weit unten. Ich lag den ganzen Tag auf der Couch und habe die Gedanken nur kreisen lassen. Ich möchte nicht kämpfen. Ich fühle mich alleine in einer unbekannten Welt. Alles wird zusammenbrechen. Ich suche nach dem nächsten Atemzug, ich möchte nicht mehr schwimmen. Ich bin in unbekannten Gewässern, wo sich alles gruselig und gefährlich anfühlt. Es ist komisch, dass ich nachgeben möchte, wenn die Krankheit schreit und mir zuruft, dass sie mir Ruhe und Frieden gibt. Aber ich weiß es besser. Ich weiß, dass es eine Lüge ist. Dennoch ist es so verführend, weil ich so müde bin.
Was bringt mich dazu, dass ich jetzt schwimme?
Ich weiß zum Glück die Antwort. Die vielen Dinge, die in der Zukunft auf mich warten. Ich hab so viele gesunde Sachen, die mich motivieren sollen, den gesunden Weg einzuschlagen. Ich habe so viel zu verlieren, wenn ich den falschen Weg einschlage. Vor allem jetzt, wo es auf die Feiertage zugeht.
Ich muss kämpfen und mich dafür entscheiden, die Krankheit zu bekämpfen. Und auch zu wissen, was das bedeutet. Ich muss loslassen, ich darf nicht auf die Lügen hören, sondern muss auf die Wahrheiten hören, die von denen kommen, die es besser wissen. Ich entscheide mich für Liebe und das Leben. Ich nehme die Emotionen in kauf - erfahre die guten Emotionen, aber stehe auch standfest im Sturm. Der Weg wird mich zu meinem Ziel führen.

"Never let your past be bigger than your dreams" wurde mir heute gesagt. Ich muss den Tag hinter mir lassen und es morgen noch einmal versuchen.

Dienstag, 3. Dezember 2013

Der Schlüssel zum Leben - ich habe ihn

Ich glaube, heute war einer der schwierigsten Tage meines Lebens. Ganz offen gesagt - heute hab ich zum ersten Mal so wirklich alle Herausforderungen gemeistert, ohne alte Verhaltensweisen zu benutzen. Ich habe die Krankheit gehört, aber ich habe nicht auf sie gehört. Ich war standfest im Sturm und habe die gesunden Entscheidungen getroffen. Woher ich das weiß? Weil ich meine Gefühle geteilt habe. Ich habe mit denen um mich herum gesprochen und erlaubt, dass sie in meine Welt kommen. Gestern habe ich die Entscheidung getroffen, freiwillig für ein paar Tage in die Klinik zu gehen. Ich habe gemerkt, dass ich Hilfe brauche. Die Krankheit war nicht auszuhalten und ich brauchte Hilfe und Unterstützung. Und diese habe ich auch angenommen, ich habe mir helfen lassen. Eine gute Freundin meinte, dass ich es zulassen müsse, andere in meine Welt zu lassen, weil sie weiß, wie schwierig es für mich ist, Hilfe anzunehmen. Sie meinte, um gesund zu werden, müsse ich aus meiner Seifenblase hinaus, in eine neue Seifenblase. In eine neue, gesunde, ich-Seifenblase. Die solle mir gehören. Ich solle alles und mehr dafür tun, dass ich die Krankheit nicht hinein lasse. Ich muss die richtigen Entscheidungen treffen und darf nicht die Krankheit über mich bestimmen lassen. Der Sturm ist stark, aber ich habe die Entscheidung getroffen, standfest zu stehen. Es ist unglaublich, zu sehen, dass ich nicht allein bin. Ich muss durch den Sturm gehen, aber ich habe Leute um mich herum, die mich aufrecht halten, wenn ich das brauche. Es gibt nur einen Weg hinaus und der führt mitten hindurch. Nur so kann ich überleben. Wenn ich aufgebe, ist es vorbei. Wenn ich aufgebe, sterbe ich. Wenn sich die Tür schließt, dann bin ich gefangen und all die Hoffnung stirbt. Aber das wäre unfair. Ich habe neun Jahre überlebt und ich muss mein Leben leben. Ich werde leben.
So war der heutige Tag und ich habe die richtigen Entscheidungen getroffen. Ich habe mich für das Leben entschieden.

Die Tatsache, dass ich mich für das Leben entschieden habe und in meine neue Seifenblase eingetreten bin, heißt nicht, dass jetzt alles nur Sonnenschein ist und die Zukunft rosig ist. Der Kampf hat erst begonnen, aber ich sitze am Steuer.

Neun Jahre mit Essstörung, Depressionen, starken Angstzuständen und Selbstverletzung. Ich habe in einer Seifenblase gelebt, in der die Essstörung meine Entscheidungen übernahm. Es kam nur selten vor, dass ich die Entscheidungen getroffen habe. Ich war in Destruktion gefangen und hatte keine Freiheit. Die Krankheit hat mir nur alles genommen, mir und meinen Lieben. Sie hat mir Zeit und Energie meines Lebens genommen.
Ich hatte meine Ziele und Träume, aber die Krankheit hat mir auch die Hoffnung und den Glauben genommen. Sie flüsterte "Morgen kannst du anfangen", "morgen kannst du es tun", aber die richtigen Entscheidungen müssen JETZT getroffen werden. Heute. Ich muss jetzt anfangen, im Sturm standfest zu stehen und auf einem sicheren Pfad zu gehen. Jetzt.
Auf dem sicheren Pfad wartet ein wertvoller Gewinn auf mich, den mir die Krankheit nie geben konnte. Sie hat es versucht, aber das waren nur Lügen. Der wahre Gewinn wartet hinter dem Sturm. Ich muss darauf hinzu gehen, langsam, Schritt für Schritt. Nur ich kann diesen Gewinn finden, das Leben.

Ich habe einmal ein Bild für meine Lieben gemalt. Ich bin gefangen von einem großen, roten Ring, der den Pfad, Sturm, Kampf repräsentiert. Drum herum ist es grün. Aber der Ring, der eine Art Blase bildet, ist verschlossen und meine Lieben haben den Schlüssel. Am Ende des Bildes, hinter meiner Hölle, ist ein Tor. Das Tor zum Leben. Mit einem Gedicht auf dem Bild habe ich meinen Freund gebeten, die Hoffnung im Sturm zu behalten. Weil ich wusste, dass ich durch den Sturm gehen müsste. Ich bat ihn, gut auf den Schlüssel aufzupassen, bis ich ihn selber finden würde. Er solle nie aufgeben, weil unsere Liebe stärker sei und uns durch den Sturm führen würde. Er ist noch nicht vorbei, aber ich kann den Schlüssel jetzt finden. Ich fange an zu träumen und glaube wieder daran, dass meine Träume wahr werden. Nur ich kann das Tor öffnen.

Heute habe ich den ersten Schritt gemacht. Ich hatte viele Hügel in den letzten neun Jahren, aber der, den ich heute erklommen habe, war einer der größeren. Nun muss ich weitermachen, um meinem Traum näher zu kommen. Der Tag war anstrengend, aber ich hatte Kraft und Stärke.

Ich habe den Post begonnen damit, dass der heutige Tag einer der schlimmsten in meinem Leben war. Und ich werde ihn beenden damit, dass ich jetzt das beste Gefühl überhaupt verspüre.

Montag, 2. Dezember 2013

Freie Entscheidungen

Leben! Was genau ist das Leben überhaupt? Wir sind alle so glücklich, dass wir ein Leben haben. Meine Herausforderung, und die von vielen anderen auch, ist, dass wir mit einem freien Entscheidungswillen geboren wurden. Wir entscheiden, welche Richtungen wir einschlagen. Natürlich bestimmen nicht nur wir, was mit unserem Leben passiert. Als Kinder treffen unsere Eltern, Familien, Lehrer etc viele wichtige Entscheidungen für uns. Je älter wir werden, desto mehr Entscheidungen müssen wir selber treffen. Desto mehr Verantwortung haben wird. Wir haben einen freien Entscheidungswillen, der es aber nicht unbedingt erleichtert, die Entscheidungen zu treffen. Ich für meinen Teil konnte nicht immer meine eigenen Entscheidungen treffen. Viele Jahre lang wurde mir der freie Wille genommen, während ich in Kliniken war. Ob es nun die Krankheit war, die Entscheidungen für mich getroffen hat, oder Ärzte, die über mich bestimmt haben, es war nicht meine Entscheidung. Jetzt sitze ich hier und habe die Verantwortung, jeden Tag für mich die richtige Entscheidung zu treffen. Es ist sehr schwierig und ich weiß noch nicht ganz, wie ich damit umgehen soll.
Ich bin müde und am kämpfen, es ist sehr schwierig. Ich wünschte, ich hätte die Kraft und den Willen in mir, meinen Weg freizukämpfen. Ich weiß nur, dass es mir unglaublich leid tut. Auch, wenn mein Körper ein gesundes Gewicht hat, irgendwie ist alles trotzdem gegen mich gerichtet. Die Emotionen sind wie ein brodelndes Feuer in mir, alles wird zu einer lästigen Aufgabe. Dann kommen die schrecklichen Gedanken - wie zur Hölle will ich meine Ziele überhaupt erreichen? Wie soll ich gesund werden? Neun Jahre krank und noch immer nicht viel weiter. Ich frage mich, was hätte anders laufen können? Vielleicht hätte ich ein Leben ohne Schmerzen führen können? Das ist schwer zu sagen und ich kann nur akzeptieren, dass es so gelaufen ist. Die Vergangenheit kann ich nicht ändern, aber ich kann sie akzeptieren und nach vorne schauen.
Ich habe die freie Entscheidung, dass ich das Leben dankbar betrachte, auch wenn es schwierig ist. Ich kann mich glücklich schätzen, gute Unterstützung zu erhalten, Liebe und Freude um mich herum. Das ist keine Selbstverständlichkeit und dafür bin ich dankbar.
Viele Menschen haben in den verschiedensten Weisen zu kämpfen. Viele sind krank, weil sie innere Wunden haben, die sie nicht heilen können. Sie wenden sich kranken Arten zu, um den Schmerz zu betäuben. Drogen, Zigaretten, Alkohol, exzessives Feiern/Trinken, Essstörungen, Selbstverletzung etc. Es gibt viele verschiedene Arten, die ich gar nicht alle nennen kann. Meine Art war die Essstörung. Man sucht sich nicht immer die kranke Welt aus, sucht sie bewusst aus. Manchmal erscheint es wie ein klarer Himmel, ein Licht am Horizont, leider. Aber zum Glück gibt es Hilfe, die man jedoch auch annehmen muss. Der Wille muss da sein und das ist wichtig. Keiner kann einen zwingen, gesund zu werden, wenn man es nicht selber auch will. Du musst es wollen, denn du bist der einzige, der dich aus der Hölle fern halten kann, aus der Seifenblase, und in der gesunden Welt bleiben kann.

Sonntag, 1. Dezember 2013

Herausforderungen

Ich habe zu kämpfen. Die Gefühle in mir brodeln und ich will allem einfach nur entfliehen, aber ich weiß, dass ich sie aushalten muss. Ich widere mich selber an, ich fühle mich nicht wert genug. Ich bin körperlich gesund, aber im Kopf nicht. Ich bin alleine mit meinen Gedanken und muss meine Entscheidungen selber treffen. Es ist schwieriger als ich dachte. Es ist nicht einfach nur Dinge tun, die schwierig für einen sind. Es ist ein unglaublich harter und schwieriger Kampf. Die Krankheit lässt mich nicht in Ruhe, ich werde nie meine Ruhe finden. Ich habe viele Bewältigungsstrategien kennen gelernt, aber manchmal gehe ich in bekannte Strukturen über. Es tut weh, zu verlieren. Es ist so schön, wenn man einen Kampf gewinnt, aber umso schmerzhafter, wenn man ihn dann verliert.
Ich versuche zu denken, dass ich nicht alles auf einmal bewältigen kann, aber ich bin einfach ein Perfektionist und möchte alles perfekt besiegen. Vielleicht muss ich die Ansprüche ein wenig weiter runterschrauben, aber gleichzeitig muss ich hart und streng sein, was die Essstörung betrifft. Ich kann es mir nicht erlauben, wieder locker zu lassen. Die Zeit ist vorbei, ich habe mit der Bulimie abgeschlossen. Sie ist nicht mehr in meinem Leben willkommen. Am schlimmsten ist es zu sehen, was die Bulimie oder Anorexie mit meiner Familie gemacht hat. Die Auslöser sind in mir drin und es tut weh, mich ihnen zu stellen, sie zu ertragen. Ich stehe hier und fühle mich wie die schlimmste Person auf Erden, wenn ich auf die Essstörung und nicht auf meine Familie höre, wo die doch alles für mich tun. Es tut so weh. Ich fühl mich hoffnungslos und ich weiß, dass sie sich auch so fühlen. Aber ich darf nicht zulassen, dass es von mir genommen wird. Ich kann die Entscheidung treffen. Ich fühle mich in der Hölle gefangen, wo ich weiß, dass ich meine Familie dem Schmerz aussetze. Es ist ein schreckliches Gefühl.
Aber gleichzeitig gebe ich mein Bestes, wieder zurückzukommen, wenn ich in der Essstörung gefangen bin. Es ist schwierig, weil es neu ist. Ich bin es gewohnt, auf die Essstörung zu hören und ihren Wegen zu folgen. Wenn der Sturm in mir ist, wende ich mich automatisch den kranken Bewältigungsstrategien zu, damit ich mich nicht den schmerzhaften Emotionen aussetzen muss. Der Körper und der Kopf reagieren automatisch so, weil sie es nicht anders gewöhnt sind. Auch, wenn ich es nicht will und nicht möchte, und es nur schmerzhaft ist - aber ich habe das Gefühl, dass ich es so machen muss. Es ist wie ein Drang, der direkt befriedigt werden muss. Ich kann nicht leben, ohne auf Gefühle zu handeln. Das ist unmöglich. Aber ich weiß, dass ich mich den Gefühlen aussetzen muss. So schmerzhaft sie auch sein mögen, irgendwann werden sie geringer und ich stärker. Aber ich muss erstmal die Methoden finden, dass ich die Gefühle aushalten kann und nicht in alte Verhaltensweisen abrutsche.
Das nach Hause kommen und für mich selber sorgen war wirklich um einiges schlimmer als ich dachte. Es kamen Herausforderungen, an die ich nie gedacht hatte. Es ist schwierig, normal zu essen. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Ich habe damit zu kämpfen, nicht alle Süßigkeiten auf einmal zu essen. Alles ist in Reichweite, warum also nicht alles auf einmal essen. Die Bulimie ist ein Problem, aber ich habe es geschafft, sie etwas einzugrenzen. Ich habe mich in einem Fitnessstudio angemeldet und versuche mir Süßigkeiten zu erlauben, wenn ich trainieren war. Ich bin dort ungefähr 3-5x die Woche. Außerdem will ich bald wieder zur Schule gehen, deshalb versuch ich dafür schon etwas zu lernen. Ich merke, dass ich mich besser konzentrieren kann. Das Gehirn funktioniert mit ein wenig Nahrung einfach viel besser. Ansonsten geh ich weiter zur Psychologin. Es gibt viele Dinge, an denen ich noch arbeiten muss, ich bin weit vom Ziel entfernt. Viele innere Wunden sind noch nicht verheilt. Viele Wunden habe ich verdrängt und jetzt, wo sie wieder hochkommen, muss an ihnen gearbeitet werden.

Ich habe gemerkt, dass dieser Post sehr negativ ist. Ich habe aber auch viele gute Sachen, über die ich erzählen kann und für die ich sehr dankbar bin. Familie, Freunde, Sport, meine Unterstützungen, die Ärzte, Psychologen und Therapeuten. Ich habe den besten Freund, den man sich wünschen kann. Er studiert Medizin in Prag und ich bin so stolz auf ihn. Ich bin mir sicher, dass er es packen wird!