Samstag, 17. Mai 2014

Ein Brief

Das kleine Mädchen schreit in der Nacht
Schreit so laut es kann
Es hat Angst, weil es weiß, dass der Teufel gewinnen wird
Das kleine Mädchen will tanzen
Unbeschwert durch das Leben
Aber auf diesem Weg begegnet es tiefen Klippen
Sobald es fällt, landet es in tiefen Gewässern
Es klettert wieder hoch und ist bereit zu gehen
Geht weiter als zuvor
Aber das kleine Mädchen ist müde
Hat keinen Frieden in seinem Kopf
Es benötigt nicht viel, bevor der nächste Fall kommt
Das kleine Mädchen hat den Teufel und den Tod gesehen
Und sich danach eingesperrt
Das Mädchen will nicht sterben
Das Mädchen will tanzen und tanzen
Die Welt entdecken, die Schätze entdecken
Aber in diesem Moment kann das kleine Mädchen einfach nur weinen

Das Mädchen versucht zu überleben
Aber es hängt zwischen zwei Welten und zwei Leben
Es weiß nicht - was ist richtig, was ist falsch
Weil seine Welt schwarz ist
Der Körper zittert - wo lang gehen?
Was ist richtig?
Das Mädchen möchte stark sein
Aber ihre Welt schmerzt
Was tun mit dem Schmerz im Herz?
Das Mädchen versucht, sein Herz zu säubern
Aber sagt nur "Warum bekomme ich nicht mein Leben"
Es möchte nur leben, nur lieben
Und das Gefühl haben, am richtigen Ort zu sein
Einen kurzen Blick erhaschen
Und durch das Leben tanzen


Liebe Krankheit,
es ist jetzt zehn Jahre her, dass du in mein Leben geschlichen bist. Du hast fiese, manipulative Tricks benutzt, um mein Leben zu bekommen. Du hast mir das Gefühl gegeben, dass ich dich bräuchte. Du hast mir klar gemacht, dass ich den inneren Schmerz nicht alleine bewältigen könnte. Du hast mir zugeflüstert, du würdest mir helfen, mein Leben würde perfekt werden. Ich würde perfekt werden und genau das wollte ich. Du sagtest mir, ich sei ein hässliches und widerliches Wesen. Ich verdiene es nicht, eine gute Zeit zu haben. Ich verdiene nichts. Du kamst in mein Leben und ich hörte deine Stimme zum allerersten Mal. Ich war verletzt und du würdest mich heilen, sagtest du. Ich habe dich gehört und dir geglaubt. Dir vertraut. Ich habe schnell die Resultate gesehen - innen, wie außen. Mir gefiel es. Ich hatte die Kontrolle und die Schmerzen habe ich verdrängt. Ich hatte die volle Kontrolle über meinen Körper und konnte tolle Dinge anstellen. Ich konnte aufhören zu essen, wurde dünner und dünner. Aber dann wurdest du auch wütend, wenn ich mich dir widersetzt habe. Ich hatte Angst vor dir. Angst ist meine Schwäche und das wusstest du, nicht wahr? Ich habe mich in einer Welt gefangen gefühlt, in der ich gar keine Kontrolle mehr hatte, aber ich konnte auch nicht aufhören. Ich wusste nicht, wo das hinführen würde und welche Konsequenzen es bringen würde. Ich wusste nur, dass es mir half und das allein zählte.
In einer Frühlingsnacht habe ich etwas traumatisches erlebt, über das ich nicht reden kann. Dadurch wurde der Prozess beschleunigt, weil ich nach diesem Vorfall noch verletzlicher war. Meine Schuld. Ich war dreckig, schmutziger. Voller Scham. Starke Gefühle in mir drin, seit zehn Jahren.
Du hast mir alles genommen, und auch wenn du mir eine ganz neue Welt gegeben hast - sie war die Hölle. Du hast mich verändert und mich krank gemacht.
Du hättest mich fast ins Grab gebracht, so oft. Aber ich werde nicht sterben, ich werde leben.

Es gibt drei Stimmen in meinem Kopf. Wenn alle drei Stimmen laut sind, ist ein Krieg in meinem Kopf. Ich habe so Angst davor, auch wenn ich es gewöhnt bin. Ich bin so erschöpft, will doch nur ich selbst sein.

Das Leben hat mich vor viele Herausforderungen gestellt, aber jede davon hat mich stärker gemacht. Wenn man mit guten und schlechten Dingen konfrontiert wird, lernt man davon und kann später besser damit umgehen.
Die Essstörung bedeutete für mich, dass ich oft ganz tief unten war. Ich war mir oft sicher, dass ich sterben würde. Aber das tat ich nicht. Aber wenn man keine Kontrolle hat, fühlt man sich hoffnungslos und schlecht. Ich hatte keine Kontrolle mehr über meinen Körper, als ich zugenommen habe, und habe mich in meinem Körper fremd gefühlt. In dieser Zeit war die Selbstverletzung für mich schlimmer, weil sie fast tödlich war. Man merkt gar nicht mehr, wann man aufhören muss. Man ist wie betäubt und muss von anderen gestoppt werden.
Es gab schwierige Zeiten, in denen ich mich nicht kontrollieren könnte. Ich hätte mich oft fast umgebracht, weil die Krankheit mir befahl und meinen Körper kontrollierte. Das war für mich und meine Leute schwierig. Es ging nicht darum, ob ich sterben würde. Die Frage war - wann.

Ich bin froh, dass das vorbei ist. Als ich wieder im Krankenhaus war, hätte ich nie gedacht, dass ich es überlebe. Ich dachte, ich würde sterben.
Aber ich bin dankbar, dass ich so gute Hilfe bekomme. Und wir werden daran arbeiten.

Eine Hand greift nach einer anderen
Während die andere leidet
Helft ihr! Sie stirbt!
Sie möchte laufen, aber ihre Füße sind müde
Sie möchte schlagen, aber ihre Hände sind gefesselt
Sie möchte fliegen, aber ihre Flügel sind verletzt
Liebe Engel, helft ihr.
Sie stirbt, sie verschwindet, sie flieht in eine andere Welt
Liebe Engel, nehmt ihr sie auf?
Liebe Engel, möchtet ihr, dass sie auf der Erde ist?
Liebe Engel, seht ihr, was sie möchte?
Sehr ihr, dass sie ihre Hand ausstreckt?
Sie will leben.
Wir sehen sie, hören ihr Herz schlagen, hören sie atmen.
Noch.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen