Freitag, 23. Mai 2014

Essstörung

Wie läuft es mit dem Essen und der Essstörung?
Es ist Chaos, es ist nicht einfach. Ich habe zu kämpfen. Mit dem essen, es in mir zu behalten und mit Fressattacken. Es ist schwierig, dass manche hier in der Klinik sehr strikt sind und penibel auf das Essen achten, andere denken kaum dran und denken, dass ich kein Problem mehr damit hätte.

Jeden Tag stehe ich mit dem starken Willen auf, dem Essensplan zu folgen, da ich diesen ja aufgeschrieben und unterzeichnet habe. Nach dem Mittag- und Abendessen habe ich aber starke Gefühle und möchte mich über-fressen und übergeben, während die Magersucht in meinem Kopf schreit. Vor ein paar Wochen hatte ich kein Problem damit, z.B. zwei Knäckebrote mit Belag zu essen, aber jetzt sind die Stimmen in meinem Kopf so stark, während ich nur kaue, und ich bin verzweifelt. Ich höre, dass ich dreckig bin, dass ich wie ein Ballon aufgehe, dass ich ein schlechter Mensch bin, der unglaublich schwach ist. Oft, wenn ich esse, bin ich danach noch hungrig und bettle und flehe, dass ich noch mehr bekomme, und wer kann mir das schon verweigern? Für das Personal hier ist das unglaublich schwierig.. Ich bin fertig, die Hölle beginnt... Es ist schwierig für mich aufzuhören, bevor nicht alles weg ist.
Ich versuche dem Personal zu sagen, dass ich nicht mehr bekommen darf, als auf meinem Plan steht, aber wenn ich so verzweifelt bin und die Krankheit mich irgendwo überzeugen will, dann schaffe ich es auch, das Personal zu überzeugen, immer und immer wieder. Aber die Schuld liegt bei mir. Es ist meine Schuld. Ich bin diejenige, die die Kontrolle verliert.

Ich hasse, dass es so ist, weil ich es so sehr versuche. Aber ich muss mir auch eingestehen, dass die Essstörung irgendwo immer ausgelöst wird. Seit ich die andere Klinik verlassen habe, hab ich ich fast jeden Tag übergeben. Die Emotionen gerieten außer Kontrolle. Ich vermisse die bekannte Umgebung, der ich mich ausgesetzt habe, weil ich wusste, dass ich dort Hilfe bekomme. Ich vermisse die geöffneten Türen, die Offenheit. Ich kann mit verschlossenen Türen nicht umgehen.

Ich wünschte, ich könnte mit dem Essen besser umgehen. Ich versuche, so gut es geht, aber die Kraft in mir ist so stark und ich bin so verwirrt und habe so große Angst, dass ich einfach kurzen Prozess mache. Mich dem Essen bereinigen, mich der Emotionen bereinigen, mich der Angst bereinigen.

Aber danach, danach kommt die Hölle. Dann kommt die Scham, die Schuldgefühle, das schlechte Gewissen. Die Stimmen, die mir sagen, dass ich schmutzig bin,w eil ich all die Nahrung in meinen Mund geführt habe. Die Stimmen, die sagen, dass ich nichts wert bin. Das ist schwach und schlecht bin, dass mich keiner liebt.

Wenn ich das hier schreibe, fühlt es sich irgendwo unlogisch an. Warum sollte sowas natürliches wie die Nahrungsaufnahme mich so fühlen lassen?

Ich glaube, das hat was mit mir zu tun, als ich 11 Jahre alt war und meine Probleme und Gefühle mit Essen und Hungern gelöst habe, um dem Schmerz zu entfliehen. Und nun, zehn Jahre später, kommen die Pfunde wieder auf meinen Körper, also bin ich schmutzig, kaputt, hässlich und widerlich. So fühlt es sich in meinem Körper an. Ich schäme mich so. Irgendwas in mir drin zerstört mich, raubt mir jegliche Kontrolle. Die Krankheit hat mich gefüllt und kontrolliert und das seit zehn Jahren.
Aber warum kann ich nicht einfach aufhören? Was passiert, wenn ich einfach aufhöre? Ich habe das Gefühl, dass die Wunde in mir so groß ist, dass ich sterben werde. Dass ich vor Angst sterben werde.

Aber ich weiß auch, dass Emotionen und Essen verschiedene Dinge sind. Ich sterbe nicht, nur weil ich Angst habe oder Gefühle erlebe. Ich sterbe höchstens daran, wie ich mit der Angst umgehe. Es liegt in meinen Händen (wortwörtlich). So lange ich einfach nur atme und die Gefühle aushalte, werde ich nicht sterben.

Wovor habe ich Angst? Ich habe Angst, dass ich so dreckig sein werde, dass mich keiner liebt, mich keiner umarmt. Ich brauche Umarmungen, ich brauche Zuwendung und Liebe. Aber wenn ich dreckig und schmutzig bin, dann denke ich "wer will so jemand schwachen schon umarmen oder lieb haben".

So denke ich und die Stimmen bestärken mich darin. Die Krankheit schreit und ich glaube ihr.

Starre Regeln und Begrenzungen bezüglich des Essens hat mir bisher geholfen. Während ich nach und nach mehr Verantwortung bekomme. Ich brauche Hilfe, Unterstützung und Begleitung. Die habe ich um mich herum, aber es ist schwierig, diese anzunehmen, wenn in mir drin so laute Stimmen sind, die das Gegenteil von dem sagen, was ich möchte....

Es ist schwierig und traurig...

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