Samstag, 15. Februar 2014

Gerade sitze ich auf dem Sofa im Gemeinschaftsraum vom Krankenhaus. Es ist die vorletzte Nacht hier und ich bin jetzt seit zwei Wochen hier. Ich glaube, ich muss ein wenig die gute Arbeit hier loben. Die Ärzte und Schwestern haben wirklich gute Arbeit geleistet und zum ersten Mal habe ich mich wirklich sicher gefühlt. Es war gut, weil ich mich erholen konnte und kein Chaos in meinem Kopf war. Kein emotionaler Zusammenbruch, einfach nur ausruhen.

Am Montag werde ich weiterreisen. Ich gehe in eine Klinik, die ich schon kenne, aber auf eine andere Station. Das ist eine Erleichterung für mich, aber genau will ich nicht drauf eingehen.

Heute habe ich - wiedermal - über mein Leben nachgedacht. Mit elf wurde ich krank, aber ich hatte dennoch ein Leben. Ich hatte Freude in meinem Herzen. 2009 und 2010 war ich hauptsächlich zuhause. Ich hatte zwei tolle Jahre. Hatte super Noten in der Schule, bin auf Partys gegangen, hatte viele Freunde, einen Freund, meine Familie. Ich bin total aufgeblüht. Ich hatte etwas, für das es sich aufzustehen lohnte; habe gelebt, auch wenn ich mit der Bulimie zu kämpfen hatte. Ich habe mein Leben gelebt und war glücklich. Jetzt habe ich nichts. Ich sehe, dass die Krankheit mir alles genommen hat. Alles, was mir bleibt, ist meine Familie. Für die ich unglaublich dankbar bin, weil ich sie manchmal auch fast verloren hätte. Ich habe meinen wundervollen Freund verloren, den ich über alles geliebt habe. Ich gehe nicht mehr mit Freunden raus, ich bin einfach allein. Ich habe eine soziale Angststörung, weshalb viele Aktivitäten anstrengend und zur Last werden und ich sie gar nicht erst angehen möchte. Viele Kliniken nehmen mich nicht an, weil ich starke Selbstverletzung habe und sie das nicht behandeln. Ich werde nach Hause geschickt und rutsche wieder in einen zerstörerischen Teufelskreis, wo alles Negative sich immer und immer wieder wiederholt. Ich verliere so langsam den Mut und werde müde. Mir tut alles so schrecklich leid und es macht mich traurig, dass ich so viel verpasst habe und kein normales Erwachsenenleben habe. Ich bin ein gewöhnlicher Mensch und irgendwann hört das Leben auf, ich kann nicht ewig so zerstörerisch sein. Ich vermisse das Mädchen, das ich einmal war. So energisch, glücklich, hoffnungsvoll, offen, mit einem starken Willen und einer großen Sturheit. Ich hatte alles in meinem Leben. War gesund. Was dann passiert ist? Frag ich mich auch oft. Und manchmal merke ich, dass die Schuld nicht nur bei mir liegt. Es gab Menschen in meinem Leben, die mich Grausamkeiten und Missbräuchen ausgesetzt haben, die kein Mensch erfahren sollte. Diese Erfahrungen haben mich ruiniert. Hat all das Leben aus mir gesogen. Und eine schreckliche und tödliche Krankheit kam in meinen Körper. Sie könne mich glücklich machen, flüsterte sie. Sie erzählte mir Lügen und brachte mich dazu, ihnen zu glauben. Es waren meine Wahrheiten und kein anderer sollte diese kennen. Jeglicher Verstand war nicht da, ich war in meiner Seifenblase. In der ich seit neuen Jahren bin. Ich versuche, sie zu verlassen. Ich versuche so stark, um Hilfe zu bitten, dass mir andere Leute die echten Wahrheiten in mich prügeln, aber ich falle in die Krankheit zurück, immer wieder.

Das ist so erschöpfend, weil ich einfach nur normal sein will. Ich will einfach nur mein Leben leben. Ich möchte reisen, die Kontinente entdecken, ich möchte in eine andere Stadt ziehen und studieren, meinen Traum erfüllen. Aber ich falle in alte Muster zurück und bleibe in meiner Seifenblase.
Meine Krankheit besteht aus so viel Scham - die Essstörung. Es ist schwierig, darüber zu schreiben. Es fing mit Anorexie an, dann Bulimie und jetzt ist es... ein Misch aus Anorexie, Bulimie und zwanghaftem Fressen. An manchen Tagen hungere ich. An manchen übergebe ich mich. Und an manchen kann ich nicht aufhören zu essen und stopfe mir eine Sache nach der anderen in den Mund. Ich habe ein gesundes Gewicht und das ist unglaublich schwierig und schrecklich. Ich bin das nicht gewohnt und ich verstecke mich unter lockeren Klamotten und gehe nicht raus. Ich habe so Angst, mich zu zeigen. Ich habe Angst, dass Leute mich verurteilen und mich schwach finden, weil ich so viel esse.
Ich weiß, das klingt total komisch und bescheuert. Ich habe so Angst und bin so erschöpft. Warum kann ich nicht normal essen, es in mir behalten, und nicht zig Süßigkeiten in mich stopfen, weil ich einmal angefangen habe. Wenn ich morgens esse, dann muss ich mehr essen. Eis, Süßigkeiten, Kekse. Egal, was ich esse, es muss immer sowas folgen. Ich will nicht so viel darüber schreiben, weil ich es selbst nicht verstehe und es mir unglaublich peinlich ist.

Und jetzt genug. Ich bin müde und habe Angst vor der Zukunft. Ich kann jetzt noch nicht schlafen, aber werde jetzt so langsam in mein Zimmer gehen. Habt einen schönen Sonntag.

1 Kommentar:

  1. Denk daran, dass andere dich nicht nur nach deinem aussehen beurteipen. Die meisten Menschen kümmern sich wenig, ob ein Nachbar z.b. 5 oder 10 kilo mehr wiegt als vorher. Du bist diesbezüglich dein stärkster kritiker. Und Angst vor der Zukunft, das ist ja nur verstandli :) Es ist gut, dass du dein Verhalten reflektierst, dass muss ja sein, um zu sehen was funktioniert und was nicht und sich daran zu erinnern, was du erreichen willst und was du dazu tun musst und kannst. Ganz liebe grüße

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