Dienstag, 24. September 2013

Ich packe meinen Koffer

Ich sitze in der Notaufnahme der Abteilung 4 meiner Klinik. Ich habe Angst. Ich fühle mich verloren in der höllischen Krankheit, aber zum Glück bin ich hier in guten Händen. Es sind gute Leute um mich herum, die mir dabei helfen, ein gutes Leben zu bekommen. Denn das will ich haben, ein gutes Leben. Ein anderes Leben als das, das ich gerade lebe.
Alles ist derzeit ziemlich schwierig, aber gleichzeitig bin ich auch dankbar, dass ich am Leben bin. Dankbar, dass ich gute Dinge erfahren darf. Ich habe alles in mir, was es braucht, das Leben zu erreichen, von dem ich träume. Ich darf jetzt nur nicht aufgeben. So viel gutes wartet auf mich und ich muss kämpfen. Manche denken jetzt vielleicht "warum musst du kämpfen, wenn dein Gewicht gesund ist?" und das stimmt auch. Warum also sich sorgen? Ich bin weit von der Gesundheit entfernt. Ja, mein Gewicht ist normal und ja, ich esse, aber das sind nur Symptome. Wenn die eine Sache besser wird, kommen neue Symptome hinzu. Meine inneren Wunden sind groß und ich habe Jahre damit verbracht, mit der Essstörung diese Wunden zu schließen. Leider habe ich mit der Zeit eine neue Krankheit entwickelt, dissoziative Störung. Kurz gesagt ist es so, dass sich mein Gehirn ausschaltet, wenn ich mit einem bestimmten Gefühl konfrontiert werde. Dann schalte ich ab und dissoziiere. Ich gehe gedanklich zurück zu dem Tag, als ich elf Jahre alt war und ein Trauma durchlebt habe. Dieses Trauma ist so stark, dass ich mich dadurch selbst verletze. So stark, dass ich medizinische Hilfe benötige, so stark, dass es fast den Tod bedeutet, so stark, dass ich nicht länger damit weitermachen kann.
In der Vergangenheit war ich wegen der Verletzungen, die ich mir beim Dissoziieren zufüge, viel im Krankenhaus. Das Trauma mit 11 war so stark, dass mein Leben dadurch komplett verändert wurde und einen Killer in meinem Kopf kreiert hat. Ich bin so wütend, so traurig, und währenddessen denke ich darüber nach, was es mir angetan hat. Ich bin jetzt seit 9-10 Jahren krank und habe noch einen langen Weg vor mir. Ich weiß nicht, ob ich jemals einen gesunden Körper haben werde, weil ich ihn schon so oft verletzt habe. Aber ich habe noch immer die Hoffnung, den Glauben und den Willen, dass es mir psychisch besser geht. Ich bin am Leben und das ist viel wert. Dazu habe ich super Unterstützung. Wir haben seit zehn Jahren gekämpft und es wäre ziemlich bescheuert und traurig, wenn wir jetzt aufgeben würden.
Ich habe gelernt, dass ich dankbar für das Schöne im Leben sein muss. Klamotten, Essen, Eltern. Ich habe so viel, für das ich dankbar sein kann. Ich muss mich nur umschauen. Und das beste daraus machen, egal, was es ist. In jeder Sache steckt etwas gutes.
Ich muss meinen Koffer packen. Mit einem Lächeln, mit Dankbarkeit und Hoffnung, und muss anfangen zu leben.

1 Kommentar:

  1. Das wichtigste ist, dass du nie aufgibst. Dass du deinen Koffer immer wieder packst bzw neu auffüllst.

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