Samstag, 1. Dezember 2012

Vergangenheit


Ich sitze hier und denke über die Vergangenheit nach. Über alles, was ich erlebt habe. An den Schmerz, durch den ich und alle um mich herum gehen mussten, an all die Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Leid.
Diese verdammte Krankheit. Sie kam flüsternd zu mir und hat mir Antworten auf meine Fragen gegeben, als ich sehr verwundet war. Sie hat mich über die Klippe gestoßen, wo ich jetzt bin. Gefangen.

Liebe Krankheit,
du warst nie, was du versprochen hast. Ich habe mich nie glücklich gefühlt, wenn ich Gewicht verloren habe, weil du da warst. Ich habe daran geglaubt, was du mich hast fühlen lassen, als ich mich im Spiegel betrachtet habe. Du hast gesagt, ich sei hässlich, fett, widerlich, ekelhaft. Ich habe angefangen, dir zu glauben. Dann hast du zu mir in der Schule geflüstert. Du bist schlecht, du kannst das nicht, du kannst auch direkt aufgeben. Ich habe dir geglaubt. Dann hast du zu mir im Handball geflüstert. Du bist schlecht, du bist scheiße, die anderen werden wegen dir verlieren, du könntest so viel besser sein, du bist schlecht. Ich habe dir geglaubt.
Du hast mir meine Freunde schlechtgeredet. Sie mögen dich nicht, du bist nicht gut genug, sie sind nicht glücklich mit dir.
DU BIST NICHT GUT GENUG.

Ich habe dir geglaubt. Deinen Lügen geglaubt.
Ja, ich bin in tief gefallen.
Ja, ich habe auf deine Schreie gehört.
Ja, ich hätte mich fast zu Tode gehungert.
Ja, ich habe dich gehört, als ich an Freunde und Familie gedacht habe.
Ja, ich habe dich gehört, wenn ich in den Spiegel geguckt habe.
Du hast jeden Zentimeter meines Körpers und meiner Seele eingenommen.
Du hast geschrien und geschrien und mir Anweisungen gegeben.
Du hast mir meine Kindheit genommen und die Möglichkeit, ein Kind zu sein.
Du hast mich belogen, du hast mir Albtraume verschafft, du hast mich in der Dunkelheit leiden lassen.
Du hast mir all meine Kraft und Möglichkeiten genommen, und mich zum wandelnden Toten gemacht.
Du hast gesagt, dass das Leben schön sein würde und du mir alles geben könntest.
Du hast mich wie einen Versager fühlen lassen, nicht gut genug, kaputt.


Du hast GELOGEN.
Aber weißt du was, ich bin auf dem Weg hinaus aus diesem Loch, in dem du mich die letzten acht Jahre gefangen gehalten hast. Ich höre deine Lügen nicht mehr. Ich sehe dich nicht mehr im Spiegel. Ich bin ich. Ich bin K. und ich bin gut genug. Es fühlte sich so gut an, als ich realisiert habe, dass ich die Kraft und die Macht habe, dich zu bekämpfen. Ich kann gewinnen. Du bist in meinem Leben nicht mehr willkommen.

Die Vergangenheit ist schmerzhaft, furchtbar schlimm, aber ich versuche sie als wichtige Erfahrung zu sehen. Ich habe viel gelernt, was ich später im Leben gebrauchen kann. Ich war stark. Ich kämpfe gegen eine Krankheit an, die mir das Leben nehmen will, und ich bin stärker. Ich sage nicht, dass es einfach ist. Jeder Tag ist ein Kampf, aber es ist gut zu wissen, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Dem Weg zurück ins Leben, in ein neues Leben. Ich freue mich darauf.

Bald ist schon wieder Weihnachten. Eine schöne Zeit mit vielen kleinen Freuden, die ich genießen will. In schwierigen Momenten muss ich mich daran erinnern, dass jeder Schritt, jede Entscheidung, ein Schritt in die richtige Richtung ist. Ein Schritt meinem Ziel entgegen.

Habt ein schönes Wochenende.

1 Kommentar:

  1. Ich hoffe, du schaffst es, dich irgendwann aus den Klauen der Krankheit zu befreien.
    Ich weiß, wie schwer es ist und wie leicht man sagen kann: GIb nicht auf !
    Aber bitte, verliere nie den Glauben an das Leben, verlier nie den Glauben an dich.

    Ich wünsch dir nur das Beste.
    Alles, alles Liebe.
    Lisa

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