Montag, 31. März 2014

Was ist Leben? Was ist Tod?

Hey,
ich schreibe zurzeit ziemlich selten. Ich weiß nicht wieso, aber ich hab einfach viel zu tun. Vom Aufstehen bis zum ins Bett gehen arbeite ich an etwas. Hauptsächlich Schulsachen. Ich lese viel, lerne viel. Es ist gut, wieder etwas machen zu können und ich finde es spannend, mit meinen Ärzten die Themen zu diskutieren. Sie kennen sich damit aus, sie können mir gut helfen und mir beim Lernen helfen. Ich weiß aber auch, dass ich sehr perfektionistisch bin und immer denke, dass ich es noch besser kann. Aber ich versuche auf die Leute um mich herum zu hören, die sagen, dass ich es gut mache. Was kann ich schon erwarten? Vor ein paar Wochen lag ich passiv im Bett, war fixiert und hatte nur einen Gedanken. Ich bin jetzt an einem anderen Punkt, aber trotzdem ist jeder Tag ein Kampf. Ich kämpfe gegen die alten Erinnerungen, gegen die Stimmen und Bilder in meinem Kopf. Ich versuche, diese Gedanken auszusprechen, damit sie nicht mehr so gruselig und gefährlich sind. Aber dennoch sind sie sehr stark. Jeden Tag gibt es viel, was einem begegnet. Viele Situationen, denen man sich aussetzen muss und ich fühle mich ein wenig hoffnungslos und verloren. Warum kann ich nicht einfach gesund sein? Es ist nicht fair, ich will einfach nur meinen Frieden. Den bekomme ich manchmal, aber dann falle ich wieder und habe schlechte Tage, bevor ich wieder aufstehen kann. Aber ich muss auch sagen, dass ich gute Hilfe hier bekomme. Ich fühle mich sicher in der Klinik O. An schlechten Tagen ist es schwierig, an den Frieden zu denken, deshalb muss ich mit der Hilfe, die ich bekomme, kämpften. Sie sind immer für mich da, ich bin nie alleine. Manche mögen denken, dass es schwierig ist, nie allein zu sein und keine Privatsphäre zu haben, aber ich bin das so gewöhnt und für mich ist es schwierig, allein zu sein. Manchmal wünsche ich mir, dass ich eine starke und selbständige Person bin, die ihre eigenen Entscheidungen treffen kann, die mir auch nicht schade. 20 Jahre und ich bin so abhängig. Meine Freunde reisen um die Welt, sind glücklich, studieren. Und ich hänge in meiner kranken Welt fest. An solche Sachen denke ich oft und dann eskalieren meine Gedanken und ich werde entmutigt und hoffnungslos. Es ist ziemlich einfach, destruktiv zu denken und sich da reinzusteigern. Es ist unfair, dass es jemand so schlecht haben muss und so kämpfen muss. Aber ich habe auch meine Momente. Ich habe auch Momente, in denen ich 100% da bin und es mir gut geht. Z.B. wenn ich Gitarre spiele und dabei singe. Oder wenn ich liebe Nachrichten von Freunden oder Familie bekomme. Oder wenn andere Leute mich wertschätzen. Oder wenn ich gute Gespräche habe. Oder wenn ich Aufgaben gut erledige. Das sind auch Dinge, die ich in meinem Leben habe, und das tut so gut. Ich versuche an all das Positive zu denken, mit dem ich meine Zukunft gestalten kann. Ich kann bestimmen, was ich möchte und was nicht. Ich kann die Person werden, die ich werden will. Ich kann das Leben bekommen, das ich möchte. Aber dann muss ich auch weiter in die richtige Richtung gehen, nicht zurück kehren und keinen anderen Weg einschlagen. Nicht auf die Stimmen hören. Nicht die Entmutigung Überhand gewinnen lassen. Es gibt andere Dinge, die wichtig sind. Und auf die freue ich mich. Es gibt so viele Dinge, mit denen man die Leere im Herzen füllen kann. Man muss das Licht finden, um die Dunkelheit zu erleuchten. Sommer, Freunde, meine Nichte, Kinder, Musik, Lieder, Schule, gute Worte, Schmetterlinge, gute Gespräche, Menschen, schöne Neuigkeiten. Wir haben immer die Wahl. Wählen wir Licht oder Dunkelheit? Ich kann entscheiden, dass ich meine Vergangenheit ruhen lasse und nicht zulasse, dass sie mein Leben bestimmt. Ich kann nach vorne gehen, zum Licht, und die Dunkelheit hinter mir lassen. Ich muss das Kind in mir ruhen lassen. Ich muss den Schmerz gehen lassen, der mein Leben kontrolliert hat. Ich habe große Angst und würde eher sterben, als alleine mit meinem Scherz und meinen Wunden zu sein. Wenn ich weitermachen möchte, muss ich für ein gutes Leben kämpfen. Ich muss die Schmerzen spüren. Davor habe ich große Angst und ich habe das Gefühl, dass ich direkt in die Hölle laufe. Aber der Unterschied ist, dass ich nicht nur die Schmerzen in mir drin spüre, sondern sie auch rauslasse. Viel Wut, viele Tränen. Wenn ich diese Momente durchlebe, werde ich distanziert und verschwinde vor der Realität.

Aber ich habe auch gute Momente. Ja, sogar gute Tage. Ich habe die Kontrolle, ich bin der Boss. Und wenn ich versage und nicht die richtigen Entscheidungen treffen kann, bekomme ich gute Hilfe.

Ich versuche mir zu sagen, dass ich das überleben werde. Ich möchte das Mädchen sein, das die Krankheit besiegt hat und sie gehen lassen konnte. Das Mädchen, das das Licht gefunden hat und in ihm gelebt hat. Das Mädchen, das sich auf die Sonne konzentriert hat. Das Mädchen, das so hart gekämpft hat und ihre Ziele erreicht hat, sodass es eine Ärztin werden kann und anderen Menschen helfen kann. Eines Tages werde ich gesund sein und einen Mann heiraten, mit dem ich Kinder haben werde. Ich werde die Liebe einer Mutter spüren und die Liebe, die ich von meiner Mutter bekommen habe, verstehen. Viele Jahre später werde ich mit meinen Enkeln auf dem Schoß sitzen und über mein Leben sprechen.

Das könnte mein Leben sein. Aber nur dann, wenn ich mich dafür entscheide und dafür kämpfe.

Ich habe schon viele Jahre im Krankenhaus verbracht und habe viele Menschen kennengelernt. Ich habe Menschen verloren, weil sie den Kampf gegen schwere Krankheiten verloren haben. Ich habe Freunde am Grab besucht. Ich habe erlebt, wie ein Mann von Tag zu Tag das Licht in den Augen verloren hat und die Welt verlassen hat, noch bevor er starb. Das sind Sachen, die unfair sind und schmerzen. Wir haben das Geschenk des Lebens erhalten und viele können das auch leben, aber das Schicksal nimmt es manchen. In solchen Situationen gibt es nichts, was das gerechtfertigt. Ich habe auch schon oft daran gedacht und mich mit dem Gedanken vertraut gemacht. Aber hier bin ich - 20 Jahre alt und habe mehr erlebt als manch 60jähriger. Ich werde die Zeit nie vergessen, in der ich beschlossen habe, mir das Leben zu nehmen. Eine große Traurigkeit war in mir und ich hatte das Gefühl, keine andere Wahl zu haben. Ich hatte das Gefühl, es verdient zu haben zu sterben. Ich habe viel geweint. Ich wusste, dass die Leiden bald zuende sein würden. Aber ich hatte auch ein wenig Angst vor dem Tod und meine Familie zurückzulassen. Das Gefühl, wenn das Leben einen langsam verlässt. Ein Engel hat mich gerettet und mir eine zweite Chance gegeben. Ich habe überlebt und beschlossen zu kämpfen. Ich wollte zurück ins Leben. Aber das war schwierig und ich bin oft gefallen. Und in solchen Momenten ist es wundervoll, wenn man Menschen hat, die einem Hoffnung geben und den Weg ein wenig erhellen, wo alles so dunkel und böse ist. Ich habe gelernt, dass egal wie weit man auf dem falschen Weg schons ein mag, man kann immer umdrehen und die richtige Richtung einschlagen. Das Leben gibt einen nicht auf, bevor man nicht selbst aufgegeben hat. Aber leider gibt es auch Fälle, wo Leute kämpfen und kämpfen, große Träume haben, und der Körper sich trotzdem gegen einen stellt. Wunderschöne Menschen werden zu hellen Sternen am Horizont.
Ich glaube an den Himmel. Viele Seelen fliegen oder wandern in den Himmel und warten dort auf uns. Aber sie haben einen Wunsch - dass wir unser Leben leben, wenn wir noch die Möglichkeit dazu haben. Wir müssen uns Menschen gegenseitig helfen, damit wir leben können. Wir alle verdienen ein gutes Leben.

Irgendwann möchte ich sagen können, dass ich mein Leben gelebt habe. Ich möchte meine Dinge erreichen, ich möchte dankbar sein und Dinge erleben. Ich möchte mit meinen Lieben leben und ihnen ermöglichen, mit mir leben zu können. Nicht, mich im Krankenhaus besuchen zu müssten.

Ich habe noch nicht die Antworten auf alle meine Fragen und weiß auch noch nicht, wie ich ein gutes Leben bekommen kann. Ich weiß aber, was mein Herz möchte.

1 Kommentar: