Freitag, 9. November 2012

Hintergangen und betrogen


Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Vielleicht damit, wie ich mich fühle. Ich fühle mich unglaublich hintergangen, betrogen, hoffnungslos, verzweifelnd und unglaublich wütend. Heute hab ich nichts anderes gemacht als gelacht und geheult, weil ich nicht weiß wie ich damit umgehen soll. Damit, was passiert ist.

Ich habe den Blog in letzter Zeit etwas vernachlässigt, weil ich andere Leute nicht triggern will, aber ich muss jetzt etwas ehrlicher und klarer werden, um erklären zu können, was in der Vergangenheit passiert ist.
Als ich in der Station 4 war, habe ich eine gute Behandlung bekommen, habe Fortschritte gemacht, Dinge angegangen etc. Der innere Schmerz wurde sehr groß. Das Trauma und der Schmerz kamen zurück und ich hatte den starken Drang, ihn körperlich zu betäuben. Ich habe immer versucht, den Schmerz nicht ans Tageslicht kommen zu lassen und gar nicht drauf zu reagieren. Dadurch haben sich der Körper und das Gehirn irgendwann gewehrt. Krampfanfälle, dissoziieren. Den mentalen Schmerz habe ich körperlich ausgelassen. Das habe ich seit Jahren so gemacht - Selbstverletzung, Essstörung, Zeichen für den realen Schmerz. Die Selbstverletzung und die Essstörung sind nur Symptome. Und diese Symptome wurden in den letzten Jahren ausschließlich behandelt, die eigentlichen, viel tiefer sitzenden Symptome, wurden ignoriert und ich hatte die Kontrolle drüber.

 Die Selbstverletzung wurde stärker und die Station 4 war der Meinung, ich würde die Behandlung sabotieren. Es wurde auch gesagt, dass die Bekämpfung der Essstörung die Selbstverletzung verstärkte. Und während die Selbstverletzung mich in einem Dissoziationszustand gefangen nahm, was sehr selten ist, war es so stark, dass ich ins Krankenhaus musste und achtmal behandelt werden musste. Mein derzeitiger Psychologe meint, dass die Selbstverletzung so ungewöhnlich und besonders ist, dass wir über ein Trauma sprechen, das mich verfolgt. In der neuen Klinik habe ich mich mehr auf meine Hauptprobleme, die tiefer liegenden, konzentriert, anstatt auf die Essstörung oder Selbstverletzung. Ich bin seit etwas über einem Monat hier. In Bezug auf die Essstörung habe ich es geschafft, das Verhältnis zum Essen etwas zu normalisieren, genau wie das Verhältnis zum Gewicht. Es ist nicht so präsent, weil wir uns nicht darauf konzentrieren. Ich habe mehr Platz und Energie, an Dingen zu arbeiten, während ich lebe. Ich gehe wieder zur Schule, teilweise. Ich bin von Hilfe während der Mahlzeit abhängig und sowas, aber ich kann schon mehr. Währenddessen arbeiten wir langsam aber sicher an meinen Hauptproblemen und warum ich dissoziiere.
Mein Psychologe sagt, dass ich so viele innere Wunden habe, an denen gearbeitet werden muss. Das mache ich langsam und die Dinge wurden besser. Ich verstehe meine Situation besser, die Puzzleteile fügen sich zusammen. Ich habe etwas komplett anderes gemacht. Ich habe mich geöffnet, habe Vertrauen in das Team, die Psychologen und die Klinik gefunden. Deshalb hatte ich einen guten Fortschritt in dieser Klinik.

Was dann passiert ist... es gab ein Treffen von verschiedenen Leuten - dem Team in der Klinik, Leuten aus der alten Klinik, andere, die im Bild sind und etwas höhere Leute. Die, die die Macht haben, haben beschlossen, dass ich unheilbar bin und man nichts für mich tun kann. Ich solle mir woanders Hilfe suchen. Sie wollen die Verantwortung nicht übernehmen, weil sie wissen, dass ich bald sterben werde, und dafür würden sie dann keine Verantwortung tragen wollen.

Ich könnte auf zwei verschiedene Weisen reagieren. Ich bin natürlich schockiert, weil sie mich so bezeichnen, ich bin 19 und hatte im letzten Monat mehr Fortschritt als in acht Jahren. Das sagt etwas darüber, dass ich acht Jahre lang falsche Behandlung bekommen habe und nun die richtige bekomme. Und nun sagen die, mit denen ich nie etwas zu tun hatte, dass sie Gründe haben zu sagen, dass ich chronisch krank bin, unheilbar bin. Zweitens fühle ich die Bestätigung von den Leuten, die ich vor acht Jahren gespürt habe. Ich habe mich so gefühlt, als hätte ich so viele innere Wunden, dass ich zerschmettert bin. Jetzt sagen sie "Ja, du hast Pech gehabt. Wir können dir nicht helfen".
Weiterhin könnte ich davon ausgehen, dass sie bei mir die Entscheidungen auf anderen, ähnlichen Patienten basieren. Ich bin nicht so wie andere, ähnliche Patienten. Ich habe eine eigene Geschichte, eigene Probleme, wie können sie solche Informationen nehmen und eine Entscheidung treffen, mit der nicht zu spaßen ist?
Ich fühle mich vom Gesundheitssystem betrogen, weil ich mich geöffnet habe und einen großen Schritt ins Trauma, innere Wunden, etc, gewagt habe... und dann wird es unterbrochen. Ich fühle mich hintergangen und betrogen.

Es lässt mich so fühlen wie "Okay, wir können nichts für dich tun, du wirst verrecken" und genauso könnte ich auch reagieren.

Aber wisst ihr was? Ich lege das hinter mich, stehe auf, und werde stärker denn je.
Ich wage es nicht, in meinem Alter zum Pflegefall zu werden. Ich habe mein ganzes Leben vor mir und ich werde geheilt sein. Ich habe einen Traum von dem Leben, das ich haben werde, wenn ich gesund werde. Ich werde die Schule abschließen. Ich werde zur Uni gehen und eine Ärztin werden (Traumberuf). Ich werde eine Familie mit Lars gründen. Wir haben sogar die Namen unserer Kinder geplant. Wir haben ein Traumhaus, eine Traumreise... Er und ich haben ein sehr langes und gesundes Leben vor uns. Diese Träume haben mich und andere am stehen gehalten, während der Sturm am stärksten war. Jetzt sagen sie mir, dass es nie passieren wird.
Ich werde es ihnen zeigen. Ich werde nicht sterben. Nicht, bis ich eine alte, glückliche Frau bin, die ihre Traume erfüllt hat und ein gutes Leben hatte. Ich bin 19 Jahre alt und ich soll ein gutes Leben bekommen.

3 Kommentare:

  1. Hej,
    ich bin gerade zufällig auf deinen Blog gestoßen und deine Geschichte berührt mich sehr. Ich wünsche dir alles Glück dieser Welt, und vorallem Kraft und den Willen, aus der Krankheit herauszukommen und wieder normal leben zu können. Nach so vielen Jahren. Glaub mir, das Leben kann so schön sein, und ich wünsche dir, dass du es auch noch so erleben kannst. Du bist erst 19, genauso wie ich. Nimm die Zukunft in die Hand, scheiß auf die Vergangenheit, und komm Schritt für Schritt in das normale Leben zurück. Ich drück dir die Daumen und denk an dich :*

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  2. Hey, ich finde deinen Blog echt toll und folge dir deshalb mal. Alles Gute!

    http://crumbling--like--pastries.blogspot.de/

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