Sonntag, 13. April 2014

Geburtstags-Post

Ach ja... und plötzlich bin ich 21. Als ich noch ein Kind war, war jeder über 20-jährige unglaublich erwachsen und alt für mich. Und das... bin ich jetzt auch. Mein erster Schultag... an den kann ich mich noch gut erinnern. Und jetzt bin ich erwachsen. Ähm...

Ich hatte ein turbulentes Leben, aber habe auch viel gutes erlebt. Ich möchte mich auf das gute konzentrieren und die Schmerzen hinter mir lassen. Nicht vergessen, sondern verarbeitet. Dass das Kapitel hinter mir liegt. Das ist schwer, weil ich nur dadurch die Person geworden bin, die ich heute bin. Viele Jahre habe ich mich so verloren gefühlt, so distanziert von mir selber. Ich war ziemlich jung, als alles begonnen hat, deshalb kann ich mich nur schwer an die Person erinnern, die ich mal war. An meine Persönlichkeit. Deshalb muss ich mich neu finden und eine neue Persönlichkeit kreieren. Und das ist auch unglaublich schön. Ich kann die Person werden, die ich werden möchte. Identität ist wichtig. Ich muss mich finden und neue Seiten an mir kennenlernen. Zum ersten Mal seit langem fühle ich mich präsent in meinem Körper und das ist die Realität. 2014.
Ich weiß nicht, was mich genau dazu gebracht hat, gesünder zu werden. Aber ich glaube, dass ich genug davon hatte, krank zu sein. Ich hatte hunger nach einem gesunden Leben. Und ich wusste, dass der Körper und die Psyche eingeschränkt waren. Zusätzlich bekam ich richtige Hilfe und dadurch war ich wieder motiviert zu kämpfen. Und dieses Gefühl ist unbeschreiblich. Man fühlt sich unbesiegbar.

Ich bin jetzt erwachsen. Daran versuche ich mich immer zu erinnern. Erwachsen werden ist schwierig, weil die Gesellschaft und die Leute gewisse Erwartungen an einen haben. Und die muss ich versuchen zu erfüllen. Auch, wenn das die größte Herausforderung für mich ist, weil ich Weltmeister darin bin, ein kleines, unreifes Kind zu sein, das keine Verantwortung für das eigene Leben übernehmen kann. Jeden Tag gibt es kleinere und größere Herausforderungen und die sind alle gleich bedeutend. Auch die kleinen Herausforderungen beeinflussen unser Leben und deshalb muss ich auch dann die richtige Entscheidung treffen. Es ist kein Kampf, aber ich bekomme Hilfe und ich weiß, dass ich es schaffen kann. Das Gefühl, etwas geschafft zu haben, ist unglaublich. Ich wünschte, ich hätte dieses Gefühl schon eher entdeckt. Aber wir müssen uns gegenseitig auch respektieren. Wir müssen die Herausforderungen anderer Menschen anerkennen, uns in sie hineinversetzen und versuchen, sie zu verstehen. Wir müssen respektiert werden - für unsere Stärken, aber auch für unsere Schwächen.

Ich sags noch einmal... ich bin erwachsen. Aber es war mir nicht immer möglich, den Mund aufzumachen. Ich bin auf so viel Widerstand gestoßen und habe viel durchgemacht. Das betrifft auch meine Familie. Ohne meine Familie, meine Freunde, sowie Ärzte und Therapeuten, wäre ich heute nicht mehr da. Ich bin besonders für meine Familie dankbar, vor allem meine Mutter. Sie hat mich NIE aufgegeben, egal, wie dunkel und hoffnungslos alles war. Auch, wenn Therapeuten gesagt haben, sie könnte mir nicht helfen, ich würde bald sterben, hat sie gekämpft und mich nicht aufgegeben. Manche sagen, es sei ein Wunder, dass ich noch am leben sei, nach allem, was ich meinem Körper angetan hab. Ich habe gehungert, sodass ich keine Kraft hatte, aufstehen zu können. Ich habe mich stark selbstverletzt und öfters so, dass ich davon hätte sterben können. Ich wollte nicht sterben. Ich wollte immer leben, aber der Schmerz in mir war so stark, dass ich ihn irgendwie rauslassen musste. Und dann habe ich dissoziiert. Starke Angstzustände, gepowert mit Rückblicken, Erinnerungen, lauten Stimmen und Bildern, die mein Körper nicht verarbeiten konnte. Er schaltet ab, kann damit nicht umgehen. Nicht ich renne weg, sondern mein Körper und mein Kopf. Ich laufe zu dem kleinen Mädchen, das misshandelt wurde. Sie war so verletzt, dass sie sich verzweifelt gegen ihren Körper gewendet hat und ihn verletzt hat. Der körperliche Schmerz war erträglicher als der mentale Schmerz.
Die Selbstverletzung geht schon seit einiger Zeit so... Ich kam in die geschlossene Klinik und das war eine der schlimmsten Erfahrungen für mich. Ich wurde fixiert, ans Bett gefesselt, ständig, über Monate hinweg. Und das hat mir nicht gut getan. Dadurch wurde ich nur noch kranker und habe mich mehr und mehr verloren. Das war vielleicht manchmal nötig, aber nicht immer. Ich habe mich wie ein Verbrecher, wie ein Mörder gefühlt. Ich war im Gefängnis und keiner hat mir zugehört. Ich war krank und kannte nichts besseres. Ich wollte reden, aber mir wurde nicht zugehört. Fixierungen waren immer die Lösung. Ich war wie ein Gegenstand.
Ich entschuldige mich bei meiner Mutter, die verzweifelte und hoffnungslose Telefonate von mir bekommen hat, weil ich sie angefleht habe, mich da rauszuholen. Was sollte eine verzweifelte Mutter da tun? Sie konnte nichts tun, weil ihr die Hände gebunden waren.
Es war die Hölle. Aber ich habe es überlebt.

Knapp zwei Monate später sitze ich hier und schreibe darüber und mir geht es besser. Wundervolle Leute haben mich an die Hand genommen und mir eine neue, gesunde Welt gezeigt. Ich wurde mit Respekt behandelt und mir wurde in jeder Situation geholfen. Ich wurde ernst genommen und das kannte ich so gar nicht. Zuerst war es schwierig, über meine inneren Kämpfe und Dämonen zu sprechen, aber schnell habe ich mich sicher gefühlt. Ich habe es weit geschafft, auch wenn noch einiges vor mir liegt. Ich konzentriere mich auf das Leben und auf ein Leben hinter den Wolken. Ich spreche über meine Gefühle und handle nicht destruktiv. Das will ich hinter mir lassen.

Ich lächle, lache, lebe ein bisschen. Ich spüre Freude. Auch, wenn es die Dämonen gar nicht freut, dass ich heute 21 werde... Ich werde mich feiern, mein Leben feiern. Heute bin ich ich und nicht die Krankheit. Ich bekomme mein Leben zurück.

Der Post war bisher ziemlich... ich weiß nicht, wie man es sagen soll? Es ist meine Wahrheit und mein Kampf aus dieser Krankheit. Und auch, wenn ich gewisse Dinge nicht im Detail beschreiben möchte, möchte ich dennoch ehrlich sein.
Heute feier ich das Leben. Die Kraft, die Liebe, Dankbarkeit und Hoffnung. Nicht nur für mich, aber auch für dich!

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