Dienstag, 8. Juli 2014

Abwärtstrip Anorexie

In der letzten Zeit lief alles so gut. Alles funktionierte. Wenn es schwierig wurde, konnte ich darauf antworten. Ich habe gewonnen. Aber es ist auch eine Tatsache, dass es mit meiner Krankheit immer hoch und runter geht. Ich bin emotional nicht stabil und das ist sehr anstrengend. Die Stimmung geht auf und ab. In der letzten Zeit habe ich es geschafft, nur die richtigen Entscheidungen zu treffen und das war wundervoll. Die Regeln wurden gelockert, weil ich solche Fortschritte gemacht habe.
Aber jetzt. Ich fühle mich so unentschlossen. Ich möchte nicht kämpfen. Ich kann nicht an meine Ziele denken. Das hat vielleicht Mitte letzter Woche angefangen. Ich habe wenig gegessen. Aber dafür konnte ich dreimal die Woche trainieren, Sport treiben. Aber jetzt, wo ich weniger gegessen habe, durfte ich nicht. Ich war so wütend, weil das für mich so wichtig war. Ich bin aktiv und gesünder und weiß, dass ich essen muss. Ich weiß, dass ich nur Sport machen darf, wenn ich esse. Vielleicht esse ich nicht genug, aber das braucht ein wenig Zeit. Ich weiß aus der Vergangenheit, dass ich automatisch mehr esse, wenn ich aktiv bin.
Aber gerade bin ich so unentschlossen und kann nicht essen.

Ich weiß natürlich, was richtig ist, aber die Magersucht ist so stark. Ich sehe, dass meine Klamotten zu groß sind, ich kontrolliere meinen Körper, zähle Kalorien. Ich glaube, dass es daran liegt, dass ich zu wenig esse. Aber ich habe diese Stimmen im Kopf, die mich beängstigen und mich davon abhalten, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich habe Angst, dass das zu weit führt.
Ich möchte nicht wieder in die Magersucht rutschen. Deshalb muss ich jetzt anfangen, bevor es zu spät ist.

Und gleichzeitig bin ich von den Dissoziationen so müde. Ich suche nach Mitteln, damit umzugehen, aber ich darf mich nicht verletzen. Ich darf mich auch nicht übergeben. Also ist es automatisch die Anorexie. Das ist ein Teufelskreis und ich weiß, dass ich jetzt eine Entscheidung treffen muss.

Ich hab die Krankenhäuser und Kliniken so satt. Ich möchte einfach nur raus und normal sein. Warum kann ich nicht einfach leben, ohne Schmerzen. Ohne diesen Schmerz in meinem Herzen. Wird der jemals verschwinden? Werde ich irgendwann überhaupt frei sein?

Am Freitag hatten wir ein Gespräch mit den Ärzten und ich habe den Wunsch geäußert, ein wenig mehr Privatsphäre zu bekommen. Und auch, dass ich einmal die Woche bulimisch sein darf. Das passiert sowieso, also ist es doch besser, wenn es kontrolliert passiert. Es wurde abgelehnt und das hat mich wütend gemacht. Traurig und enttäuscht. Vorher habe ich immer darauf reagiert und irgendwas kaputt gemacht. Aber ich saß dann einfach nur in meinem Sessel und gespürt, wie die Tränen kamen. Ich habe versucht sie zurückzuhalten, weil ich nicht möchte, dass die mich so "schwach" sehen. Aber dann kamen die Tränen und ich habe geweint und geweint. Als es aufgehört hab, war ich ganz ehrlich mit dem Chaos in mir drin. Ich saß mit einer Mitarbeiterin auf dem Boden und habe eine Stunde mit ihr geredet. Danach hat sie mich gefragt, wie ich mich fühle. Ich fühlte mich befreit.
Endlich habe ich mal geweint, vor einer anderen Person. Das fühlte sich gut an. Es ist schwierig zu weinen, aber auch eine ganz normale Art, mit Dingen umzugehen.

Die Magersucht fühlt sich falsch an. Ich weiß, dass ich das nicht möchte, deshalb werde ich bald wohl die richtigen Entscheidungen treffen können. Jedenfalls muss ich das. Das Leben wartet. Und ich habe die Möglichkeiten gesehen, die man bekommt, wenn man gesünder ist. Ich muss es tun.

3 Kommentare:

  1. Leider steckst du schon wieder voll drin. Du isst nicht, wenn du dich nicht bewegst, hast das Gefühl, dir die Nahrung, erst verdienen zu müssen. Unterstützt die Klinik dich, bekommst du einen Essplan und Essbetreuung?

    Dass dein "Bulimie-Tag" nicht auf Zustimmung gestoßen ist, ist doch vollkommen nachvollziehbar. Man unterstützt doch dein selbstschädigendes Verhalten nicht. Und in der Regel werden bulimische Abfälle doch nicht geplant. Wie meinst du das?

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  2. Ich finde es klasse, dass du dagegen ankämpfen willst :) Wenn man sich etwas nur oft genug immer wieder sagt, und es immer wieder versucht klappt es auch irgendwann.
    Ich wünsche dir alles gute, damit du es aus der Krankheit wieder heraus schaffst! :)

    Liebe Grüße
    Yessy

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  3. Ich glaube, das macht die Magersucht und andere Essstörungen so schwierig: Man wird sie schwer wieder los, sie kletten sich sogar noch dann irgendwie fest, wenn man dachte, man wäre schon darüber hinweg...

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