Dienstag, 8. Januar 2013

Tag 2


Ja, Tag 2. Wenn man möchte, kann man es als zweiten Tag in meinem Leben bezeichnen. Die Tage davor gehörten nicht mir, sondern der Essstörung. Jetzt fülle ich sie mit frischen Dingen, mit mir. Ich habe viel Zeit, aber das ist auch sehr gruselig. Ich bin perfektionistisch und möchte deshalb alles perfekt machen. Aber ich muss mir beibringen, dass das nicht möglich ist. Niemand kann alles perfekt machen. Fehler machen ist menschlich. Ich muss akzeptieren, dass ich es versuche und auch falle. Ja, es geht hoch und runter. Ich bin sehr ambivalent und die Krankheit versucht, negative Gedanken in meinen Kopf zu bekommen. Aber ich bin in der Macht. Wenn ich weiß, dass die Krankheit lügt, können mir die Leute um mir herum helfen, damit ich die richtigen Entscheidungen treffe.
Ich bin so dankbar für die Hilfe, die ich bekomme. Sie sind sehr hilfsbereit und freundlich. Ich fühle mich sehr sicher und das ist wichtig.

Heute war ein bisschen anders als gestern. Mein Gewicht ist ein bisschen gesunken, deshalb wurde mein Nahrungsplan erhöht. Ich muss vier zusätzliche Knäckebrote essen und ein bisschen mehr beim Mittagessen. Das ist sehr schwierig, aber ich muss da durch.

Ich freue mich darauf, wenn ich endlich gesünder bin. Ich kann dann mehr Dinge machen, habe mehr Kraft, kann wieder zur Schule, kann wieder Handball spielen. Es gibt so viel, wofür es sich lohnt zu kämpfen. Jeder Tag ist ein Geschenk und ich bin der Boss. Ich entscheide, woraus die Tage bestehen. Ich habe genug Zeit mit der Essstörung verschwendet. Die Krankheit hat mir acht Jahre genommen. So geht es nicht mehr weiter. Ich möchte leben.

Zeit. Das ist etwas, was jeder Mensch bekommt. Zeit ist wertvoll. Ich hatte so viele Chancen in meinem Leben. Stand dem Tod schon so oft nahe. Ich bin auf Messers Schneide getanzt. Vor allem in den letzten Monaten war ich gefährlich nahe am Tod. Aber es gibt einen Grund, warum ich noch lebe. Ich werde mein Leben leben und werde gesund werden. Mir wurde schon von vielen Ärzten, Therapeuten und Psychologen gesagt, dass ich keine Chance mehr habe. Irgendwas würde passieren und dann sei es zu spät. Es wurde höchste Zeit, dass sich was ändert. Und das tut es jetzt.

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