Samstag, 12. Januar 2013

Voll ausgesetzt


Hilfe. Ich bin dreckig. Ich spüre, wie die Welt um mir zusammenbricht. Ich habe vier Knäckebrote mit Belag gegessen und eine Schüssel Salat. Ich weiß, dass der Körper und der Kopf sich übergeben werden. Ich fühle mich so schmutzig und unrein. In mir ist eine große Angst. Ich weiß, dass ich abhauen möchte. Es fühlt sich fast unmöglich an, nicht wegzurennen. Es ist wie ein Abwehrmechanismus. Ich muss laufen. Ich laufe immer davon, wenn ich in solchen Situationen bin.
Ich habe es unmöglich gemacht. Ich saß vor einem Tisch mit Pizza und wollte einfach nur fressen. Stattdessen sitze ich mit vier Knäckebroten im Magen und fühle mich dreckig. Ich kann nicht denken. Meine Kontaktperson denkt an mich. Ich verlasse mich auf sie und tue, was sie sagt, weil ich nicht entscheiden kann. Ich muss mich auf sie verlassen. Sie sagt, dass das Unwohlsein und die Angst vorüber gehen werden, und ich versuche daran zu glauben.
Ich habe das ummögliche getan. Das ist unglaublich groß. Ich habe es geschafft, mich nicht von der Essstörung und Impulsen leiten zu lassen. Ich habe mich der Situation voll ausgesetzt. Und darauf muss ich stolz sein. Ich weiß, dass ich etwas geschafft habe und stärker bin als die Krankheit. Ich war kurz vorm einbrechen, aber bin nicht davon gelaufen.
Ich habe nicht an mich geglaubt. Ich habe meiner Kontaktperson gesagt, dass sie die Pizza wegnehmen solle. Sonst würde ich sie auffressen. Ich bin weggegangen und die Pizza war weg. Dann hieß es nur noch, die dreckigen Gefühle loszuwerden. Meine Kontaktperson und ich sind spazieren gegangen. Als wir wieder in der Klinik waren, habe ich gefragt, ob ich ein Stück Pizza in den Müll werfen könnte, als Symbol dafür, dass ich gewonnen hatte. Das habe ich getan. Sieg.
Jetzt sitze ich in meinem Zimmer mit Essen im Magen und weiß, dass ich glücklich sein kann. Heute habe ich eine Entscheidung treffen können. Dabei habe ich Hilfe bekommen.

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